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Mikrobiom: Wie der Darm die Entwicklung von Allergien beeinflusst – Symptome, Therapie und Forschung

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Von: Laura Knops

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Unsere Darmflora könnte entscheiden, wer im Laufe seines Lebens eine Allergie entwickelt und wer nicht. Denn das Mikrobiom im Darm hat einen großen Einfluss auf das Gleichgewicht unseres Immunsystems.

München – Von der Haut, über die Atemwege bis hin zum Verdauungstrakt – eine Vielzahl an Mikroorganismen besiedeln den menschlichen Körper. Obwohl sie für das bloße Auge nicht sichtbar sind, machen die Mikroben uns zu dem was wir sind. Sie beeinflussen unser Gewicht, unser Verhalten und unsere Gesundheit. Ein Großteil des menschlichen Mikrobioms, auch Darmflora oder Darmmikrobiota genannt, befindet sich im Darm. Mehr als 1000 verschiedene Bakterienarten haben Forscher bisher alleine im menschlichen Verdauungstrakt identifiziert.

Lange war das Mikrobiom des Darms Wissenschaftlern ein Rätsel. Doch vor allem in den letzten Jahren ist die Darmflora in den Fokus der Forschung gerückt. Aus gutem Grund: Es scheint nicht nur bei der Entstehung zahlreicher Krankheiten eine Rolle zu spielen, sondern auch bei der Entwicklung des Immunsystems. Da das körpereigene Abwehrsystem ebenfalls eng mit der Entstehung und dem Verlauf von Allergien zusammenhängt, vermuten Wissenschaftler, dass die Ursachen allergischer Erkrankungen wie Heuschnupfen und Asthma möglicherweise im Darm liegen. Welchen Einfluss die Bakterien im Verdauungstrakt auf unsere Gesundheit haben und wie sie die Entstehung von Allergien beeinflussen, erfahren Sie hier.

Eine Frau krümmt sich vor Bauchschmerzen (Symbolbild).
Eine gute Darmflora schützt möglicherweise vor Allergien (Symbolbild). © Monique Wüstenhagen/dpa

Allergien und Mikrobiom: Was ist das Mikrobiom?

Die Entdeckung des Mikrobioms hat die Medizin verändert. So vermuten viele Forscher mittlerweile sogar, dass der Schlüssel zur menschlichen Gesundheit im Mikrobiom liegt. Doch was ist das Mikrobiom eigentlich? Unter dem Begriff Mikrobiom verstehen Mediziner die Gesamtheit an Mikroorganismen, die im Darm und auf unserer Haut leben. Obwohl die Bezeichnung Mikrobiom streng genommen nur die Geninformationen der Bakterien beschreibt, werden die Begriffe Mikrobiom und Mikrobiota häufig synonym verwendet. So besteht die Mikrobiota neben dem Mikrobiom ebenfalls aus dem Virom, also dem Erbgut der viralen Einheiten, und dem Mykobiom, womit das Erbgut von pilzartigen Strukturen gemeint ist.

Allergien und Mikrobiom: Erste Darmbewohner

Schon bei der Geburt besiedeln Bakterien aus dem Geburtskanal der Mutter den kindlichen Darm. Im Laufe des Lebens prägen neben der Muttermilch, auch die Ernährung, Medikamente und unsere Umgebung die individuelle Zusammensetzung der Mikroorganismen. Wie viele unterschiedliche Arten und in welche Kombinationen die Bakterien im Darm vorkommen, ist dabei von Mensch zu Mensch verschieden. Zum Vergleich: Forscher gehen davon aus, dass die Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms so einzigartig wie der persönliche Fingerabdruck ist.

Kinder, die per Kaiserschnitt auf die Welt kommen, nehmen die Bakterien nur über das Hautmikrobiom der Mutter auf. Auch das kann die Vielfalt der Darmflora des Babys einschränken. Zudem können auch andere Faktoren wie eine Antibiotika-Behandlung die Zusammensetzung des Mikrobioms aus dem Gleichgewicht bringen. Positiv wirkt sich Stillen in den ersten Lebensmonaten auf den Darm des Neugeborenen aus und fördert die Besiedlung des Mikrobioms.

Allergien und Mikrobiom: Das Mikrobiom prägt die Entwicklung des Immunsystems

Wie wichtig die Mikroben für die Entwicklung unseres Immunsystems sind, war lange Zeit unklar. Doch das Mikrobiom scheint nicht nur für physische Leiden wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle zu spielen, sondern auch für neurologische und psychische Leiden wie Demenz oder Depressionen. Auch an der Entstehung und Entwicklung von Allergien könnte das Mikrobiom beteiligt sein.

Um zu verstehen, welchen Einfluss die Darmmikroben auf die Entwicklung allergischer Erkrankungen haben, lohnt es sich, das Immunsystem genauer unter die Lupe zu nehmen. Grund dafür: Die Entwicklung des Immunsystems und die Entstehung von Allergien scheinen parallel stattzufinden. Vor allem im ersten Lebensjahr prägt sich die immunologische Abwehr eines Babys. Verschiedene Faktoren beeinflussen in dieser Zeit, welche Kinder ein erhöhtes Risiko haben, im Laufe ihres Lebens eine Allergie zu entwickeln. Ein Kaiserschnitt oder eine Antibiotika-Behandlung scheinen das kindliche Immunsystem anfälliger zu machen. Kinder, die in den ersten vier Monaten gestillt wurden, haben meist ein geringeres Risiko. Denn auch dabei können wichtige Mikroben von der Mutter auf das Neugeborene übertragen werden.

Allergien und Mikrobiom: Komplexe Wechselwirkungen

Das Mikrobiom ist überall dort zu finden, wo das Körperinnere mit der Umwelt in direkten Kontakt kommt. Dazu gehören neben Verdauungstrakt, auch die Atemwege und Geschlechtsorgane, ebenso wie die Haut. Gleichzeitig sind das die Schnittstellen, an denen Allergieauslöser in den Körper eindringen und mit dem Immunsystem in Kontakt kommen. Auch wenn die Wechselwirkungen zwischen Mikrobiom und Immunsystem noch nicht vollständig geklärt sind, gehen Forscher davon aus, dass zwischen Mikrobiom und Immunsystem komplexe Interaktionen stattfinden. Diese sind von großer Bedeutung für das immunologische Gleichgewicht in Darm, Haut und Lungen. Wird dieses Gleichgewicht durcheinander gebracht, können Krankheiten entstehen. So konnten verschiedene Studien zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und Infektionskrankheiten, chronischen Darmerkrankungen, Übergewicht, Diabetes, Darm- und Leberkrebs und Allergien besteht. 

Zudem vermuten Forscher, dass bereits früh festgelegt wird, ob ein Kind im Laufe seines Lebens eine Allergie entwickelt oder nicht. So fanden Wissenschaftler heraus, dass fünf Monate alten Babys, die bereits unter eine Lebensmittelallergie leiden, das Mikrobiom eine spezielle Zusammensetzung aufweist. Bestimmte Bakterien kamen bei betroffenen Kleinkindern deutlich häufiger und andere seltener, als bei gesunden Altersgenossen, vor.

Allergien und Mikrobiom: Zunahme in den letzten Jahren

Immer mehr Menschen reagieren auf scheinbar harmlose Stoffe in der Umwelt allergisch – vor allem in den letzten 50 Jahren sind die Zahlen der Betroffenen deutlich gestiegen. Neben der genetischen Veranlagung spielen verschiedene Umweltfaktoren wie eine übertriebene Hygiene und Luftschadstoffe, aber auch die Ernährung und Infektionen bei der Entstehung einer Allergie eine Rolle. Forscher sehen daher einen Zusammenhang zwischen der veränderten Lebensweise in westlich geprägten Gesellschaften, der weltweiten Reduktion der Biodiversität und den steigenden Allergieraten.

Obwohl laut dem Allergieinformationsdienst des Helmholtz Zentrum München der Zusammenhang zwischen allergischen Erkrankungen und dem Darmmikrobiom erst seit wenigen Jahren erforscht wird, sehen Forscher eine weitere Möglichkeit im Darm. So spielen Veränderungen im intestinalen Mikrobiom, als Ursache für die deutliche Zunahme allergischer Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten, möglicherweise eine Rolle. Auffällig ist, dass diese Entwicklungen hauptsächlich in industrialisierten Ländern zu beobachten sind. Dabei ist nicht nur die Zusammensetzung des Mikrobioms entscheidend, sondern auch mikrobielle Vielfalt. Je geringer diese Vielfalt im Darm ausgeprägt ist, umso wahrscheinlicher ist es laut Forschern des Helmholtz Zentrums München an einer Allergie zu erkranken.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.

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