Erziehung: Babys auch mal schreien, kreischen, weinen lassen?
Babys und Kleinkinder zum Abhärten auch mal weinen lassen – das Thema ist durchaus umstritten. Wissenschaftler sagen jedoch Nein zu dieser Methode.
München – Babys und Kleinkinder zum Abhärten auch mal weinen und schreien lassen? Das ist wohl eine der umstrittensten Fragen in der Kindererziehung, bei der sich die Geister scheiden. Auch Wissenschaftler sind sich nicht einig. Das Maß aller Dinge gibt es nicht, vielmehr gilt es hier, das richtige Maß zu finden.
Erziehung: Warum Babys schreien und was die Verwandtschaft dazu sagt

Wenn ein Baby schreit, dann hat das immer einen guten Grund. Trotzdem hört man als frisch gebackene Mutter oder Vater oft von Freunden und Verwandten den altbekannten Spruch: „Lass es ruhig mal ein bisschen schreien.“ Der gängige Zusatz ist dann meist, dass Babys sonst zu verwöhnt werden oder Kleinkinder denken, dass sie mit Kreischen immer sofort ihren Willen bekommen.
Tatsache ist aber, dass Babys und kleine Kinder, die noch nicht sprechen können und auch auf keine andere Art der Kommunikation zugreifen können, Schreien als einziges Mittel haben, um darauf aufmerksam zu machen, dass etwas nicht stimmt. Die häufigsten Gründe dafür, dass Babys schreien, sind Hunger, eine volle Windel, Müdigkeit oder das Bedürfnis, in der Nähe von Mutter oder Vater zu sein. Kein Baby schreit nur so zum Spaß. Die Eltern-Kind-Bindung nimmt dennoch keinen Schaden, laut einer Studie.
All das sind legitime Gründe, nach Aufmerksamkeit zu verlangen, und um solche Angelegenheiten sollten die Eltern sich dann auch kümmern. Es bringt wenig, ein Kind schreien zu lassen, wenn es Hunger oder volle Windeln hat.
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Babys schreien lassen oder nicht – das sagen Studien
Meistens geht es bei der Taktik, ein Kind schreien zu lassen, aber auch gar nicht um körperliche Grundbedürfnisse wie Stillen. Vielmehr ist es in Elternkreisen umstritten, sofort ans Kinderbett zu rennen, wenn das Baby weint, weil es schlafen soll oder nicht allein sein will. Hier kommt der autoritäre Erziehungsstil zum Tragen. Die einen halten das für Verwöhnung, die anderen halten das Schreien-Lassen für Vernachlässigung.
Eine Studie der Flinders-Universität in Adelaide, Australien, sorgte im Jahr 2016 für Aufregung. Dabei hatte man 43 Babys im Alter von 6 bis 16 Monate beobachtet und die Kinder in drei Gruppen beim Schreien mit unterschiedlich viel Aufmerksamkeit bedacht. Dabei kam heraus, dass das Schreien-Lassen gar nicht stressiger für die Kinder ist und der Schlaf der Babys danach trotzdem gut war. Allerdings sind die Ergebnisse unter anderem wegen der kleinen Versuchsgruppe umstritten.
Eine Studie mit 178 Säuglingen unter der Leitung von Dr. Ayten Bilgin und Professor Dr. Dieter Wolke ergab allerdings ebenfalls, dass die Babys, die von ihren Eltern im Laufe der Zeit immer länger schreien gelassen wurden, mit 1,5 Jahren ruhiger waren.
Situation abwägen: Babys manchmal schreien lassen, manchmal nicht
Im Endeffekt gilt in diesem Bereich der Kindererziehung das Prinzip des Abwägens und der Logik. Soll heißen: Achten Sie auf die Situation, in der Ihr Baby oder Kleinkind zu schreien anfängt. Gewünscht ist eine Erziehung ohne Schreien und Schimpfen.
Wenn das Baby nachts weint, weil es die Windeln voll oder Hunger hat, dann sollte es natürlich nicht schreien gelassen, sondern passend versorgt werden. Auch beim Abstillen sollte man das Kind nicht zu einer radikalen Umstellung zwingen. Hier empfiehlt sich zum Beispiel eine sanfte Entwöhnung über bis zu zwei Monate, damit das Kind sich ohne Tränen umgewöhnen kann. Das gleiche gilt übrigens auch bei Schreikindern, die ihre Eltern nicht aus dem Kindergarten weggehen lassen wollen. Entwicklungspsychologen empfehlen, Kinder in einer solchen Situation nur schreien zu lassen, wenn es gar nicht anders geht, weil sie zum Beispiel zur Arbeit müssen. Wenn es möglich ist, sollten Eltern noch eine Weile bleiben und mit der Zeit das Kind immer länger in der Kita allein lassen.
Andere Situationen, in denen das Kind ruhig einmal schreien darf, sind zum Beispiel Umgewöhnungen zu Hause wie das Einschlafen im Bett statt auf dem Arm, oder im eigenen Bett statt bei Mama und Papa. Solche Neuerungen passieren selten ohne Weinen, aber mit einer stufenweisen Umgewöhnung vom Arm übers Elternbett und das Gitterbett bis hin zum eigenen Kinderzimmer tritt bei den meisten Kindern ein schleichender Gewöhnungsprozess ein und die Tränen sind schon bald wieder vergessen.
Fest steht: Kindererziehung ist keine leichte Aufgabe. Das erkennt auch der deutsche Staat an. Damit Eltern kein finanzieller Nachteil entsteht, wird die Erziehungszeit der Kinder bei der Berechnung der gesetzlichen Rente miteinbezogen.
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.