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Sich abhärten und so vor Krankheiten schützen? Wie Sie Kältereize gezielt nutzen können

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Dass Kälte gut für das Immunsystem sein soll, ist eine verbreitete Annahme. Was steckt hinter der Kneipp-Methode und wie effektiv sind Kältereize wirklich?

Die eigene Gesundheit ist ein Thema, das bei vielen Menschen oft nur eine zweitrangige Rolle spielt. Meist sind die Arbeit oder die Kinder oder irgendein Event wichtiger, als auf die Grenzen des eigenen Körpers zu hören. Kein Wunder also, dass Immunsystem und Organismus irgendwann bei vielen Menschen in Streik treten.

Damit es gar nicht so weit kommt, kann man bereits vorher Maßnahmen ergreifen, um den Körper widerstandsfähiger gegen Krankheiten zu machen. Eine beliebte Methode, von der man auf verschiedene Weisen immer wieder hört, ist Kälte. Kalte Duschen, Schneebaden oder Wassertreten, um den Körper abzuhärten, sind nur einige der vielen Trends, die im Netz verbreitet werden. Allerdings ist auch Kälte nur zu einem gewissen Grad gesund und man sollte aufpassen, nicht die Grenze zu überschreiten, ab der sie den Körper krank macht. Doch wie kann man Kältereize für die Gesundheit richtig einsetzen?

Kneipp-Therapie: Woher kommt die Annahme, das Kälte guttut?

Das Denken, dass regelmäßige Kälte den Körper stärker macht, hatten Wissenschaftler bereits im 19. Jahrhundert. Am bekanntesten ist dafür noch heute Sebastian Anton Kneipp (1821-1987), ein Pfarrer, Hydrotherapeut und Naturheilkundler aus Oberschwaben, der eine eigene Behandlungsmethode mit kaltem Wasser entwickelte, zu der unter anderem auch das noch heute praktizierte Wassertreten gehört.

Kneipp selbst litt bereits in seinen Zwanzigern an einer Lungenerkrankung, die er durch Wasser zu therapieren versuchte. Er badete zwei bis dreimal in der Woche in der kalten Donau und nahm auch zu Hause kalte Bäder und Duschen. Nach eigenen Angaben soll sein gesundheitliches Leiden dadurch geheilt worden sein, woraufhin er seine Kneipp-Therapie entwickelte.

Diese beinhaltet neben der Hydrotherapie mit Wassertreten und Wassergüssen auch Wickel, eine intensive Bewegungstherapie sowie Barfußlaufen, die Phytotherapie mit Heilpflanzen, eine gesunde Ernährung mit vielseitiger Vollwertkost sowie eine Ordnungstherapie, um die Psyche bewusster auf ein gesundes Leben auszurichten. Die Kneipp-Therapie war damals zunächst umstritten und Kneipp wurde unter anderem von Ärzten und Apothekern wegen Geschäftsschädigung verklagt. Nach einem Cholera-Ausbruch in München 1854 erkannten Mediziner aber die Wirkung seiner Behandlung, die danach europaweit bekannt wurde.

Heute wird die Therapie vertreten durch den naturheilkundlichen Kneippärztebund in Deutschland in Kurhäusern angeboten. Sie dauert in der Regel drei bis vier Wochen und dient als Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems. Sie wird auch bei Immunschwäche, neurologischen Krankheiten, Störungen des Nervensystems und orthopädischen Leiden eingesetzt. Einzelne Anwendung wie zum Beispiel das Wassertreten kann man auch gesondert außerhalb von Kurhäusern wahrnehmen.

Eisbaden ist nur für besonders abgehärtete Menschen ein Vergnügen.
Eisbaden ist nur für besonders abgehärtete Menschen ein Vergnügen. © Ilya Naymushin/IMAGO

Was passiert bei Kälte im Körper?

Wenn der menschliche Organismus Kälte sowie Hitze ausgesetzt wird, reagiert er auf die jeweilige Temperatur. Wenn es heiß ist, muss der Körper sich selbst kühlen, indem er die Hautdurchblutung erhöht, um die Wärme aus dem Inneren des Körpers nach außen zu transportieren. Das Herz wird mehr strapaziert und der Körper fängt an zu schwitzen, um sich zu kühlen und die Körpermitte, in der sich die inneren Organe befinden, bei den benötigten 37 Grad Körpertemperatur zu halten.

Wenn es hingegen kalt ist, muss der Körper sich selbst erwärmen, um die 37 Grad weiterhin halten zu können. Zu diesem Zweck werden einige Körperfunktionen zurückgefahren, damit mehr Energie für das Warmhalten der inneren Organe zur Verfügung steht. Aus diesem Grund werden Arme und Beine im Winter oft zuerst kalt, weil die Wärme in der Körpermitte eher benötigt wird. Außerdem beginnt der Körper zu zittern, um Wärme zu erzeugen.

Es verengen sich im Körper die Blutgefäße, was dazu führt, dass die Durchblutung herunterfahren wird. Dadurch steigt allerdings der Blutdruck, weil das Herz das Blut nun durch engere Bahnen pumpen muss und somit auf mehr Widerstand trifft. Vor allem Menschen mit Herzerkrankungen sollten es deshalb tunlichst vermeiden, sich bei Kälte noch zusätzlich anzustrengen, weil dann das Risiko für einen Herzinfarkt oder die Verstopfung von Blutbahnen steigt.

Zu viel des Guten: Wenn Kälte den Körper krank macht

Weder Hitze noch Kälte sind also gesund für den Körper, wenn sie im Übermaß auf diesen einwirken. Wer sich zu lange der Kälte aussetzt, der riskiert sogar ernsthafte Erkrankungen.

Bei Sport im Freien oder dem vermeintlich gesunden Eis- und Schneebaden, wie man es in Finnland, Schweden oder anderen Ländern in Nordeuropa zu tun pflegt, können sich Ungeübte schnell mehr Schaden als Nutzen zufügen. Durch die Kälte wird die Durchblutung heruntergeschraubt, was dazu führt, dass auch Muskeln, Sehnen, Bänder und Gelenke weniger mit Blut und somit auch weniger mit Sauerstoff versorgt werden – im Prinzip also alle Teile des Körpers, die keine inneren Organe sind und somit überlebenswichtig wären.

Dauert dieser Zustand der reduzierten Nährstoffzufuhr zu lange an, können diese Körperteile in Mitleidenschaft gezogen werden und zum Beispiel ein höheres Risiko für Verletzungen und Verschleiß entwickeln. 

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Kalte Dusche kann gesund sein: Noch besser sind aber Kalt-Warm-Reize

Trotzdem kann es für die Gesundheit und allgemeine Fitness vorteilhaft sein, den Körper regelmäßig Kältereizen auszusetzen und ihn so (langsam!) widerstandsfähiger zu machen. Dazu kann man zum Beispiel kalt duschen, sollte dabei allerdings vorsichtig anfangen und den Körper an die Temperatur gewöhnen, um keinen Kälteschock zu bekommen. Durch das kalte Wasser werden die braunen Fettzellen aktiviert, die Kalorien verbrennen und die Wärmeproduktion des Körpers ankurbeln. Allerdings braucht es dafür regelmäßige Reize und eine langsame Gewöhnung des Körpers. Wer nur einmal alle paar Wochen in einen kalten Fluss springt, erwirkt wenig für die Gesundheit und zieht sich eher eine Erkältung zu.

Noch wirksamer ist die Abwechslung von warmen und kalten Reizen, die man zum Beispiel durch Wechselduschen oder den Sauna-Besuch erwirken kann. Zwar ist sich die Medizin noch immer uneinig, ob Kältereize wirklich effektiv vor Grippe oder anderen Infekten schützen sollen, allerdings geht man zumindest davon aus, dass sie das Immunsystem stärken. Bei Kälte schließen sich die Blutgefäße, bei Hitze weiten sie sich. Durch die wechselnden Reize werden sie trainiert, was der Gesundheit zugutekommt. Die Durchblutung und die Thermoregulation der Haut werden durch Wechselduschen quasi trainiert.

In einer Studie der Uniklinik Jena fanden Forscher 2005 heraus, dass Testpersonen mit chronischer Bronchitis nach zehn Wochen Wechselduschen 13 Prozent mehr Lymphozyten, also Abwehrzellen, im Blut hatten als zuvor, was die zelluläre Immunabwehr begünstigte. Außerdem war die Häufigkeit der Infekte gesunken. Eine niederländische Studie bestätigte 2016 diese Erkenntnisse. Auch hier fühlten sich die Probanden nach 30 Tagen gesünder und fitter und meldeten weniger Erkrankungen.

Fazit: Regelmäßige Kältereize können für den Körper gesund sein, sollten aber langsam angewendet werden, um den Körper und das Immunsystem an dieses neue Training zu gewöhnen. Ebenso sollte man es mit dem Kältetraining auf keinen Fall übertreiben. Kurz gesagt: Kältereize sind gut, Frieren ist schlecht.

Fitness ohne Kälte: Alternativen und Ergänzungen zu Wechselduschen

Zwar können Kältereize der Gesundheit nutzen, allerdings helfen sie nicht bei jedem Leiden und sind auch kein Wundermittel für die körperliche Unversehrtheit. Zu einem fitten Gesundheitszustand gehört noch einiges mehr, unter anderem Bewegung und Ernährung, wie auch in der Kneipp-Therapie vorgesehen.

Wer regelmäßig Sport treibt, aktiviert durch die Bewegung die Abwehrzellen im Körper. Diese kommen dann ebenfalls in Bewegung und werden aktiv, wo sie gerade gebraucht werden, zum Beispiel um die ersten Anzeichen einer Erkältung zu bekämpfen, bevor man sie überhaupt selbst bemerkt hat. Man darf sich dabei allerdings nicht überanstrengen, denn wenn die körperliche Belastung zu groß ist, gleicht die zu hohe Anstrengung die Abwehrzellen wieder aus.

Vorsicht: Sollte man sich dann doch einmal erkälten oder einen grippalen Infekt einfangen, müssen Wechselduschen und Sport pausiert werden. Gönnen Sie Ihrem Körper eine Pause und die Zeit, die er braucht, um wieder gesund zu werden. Erst danach sollten Sie langsam wieder mit dem Sport und auch mit Ihrem Wechselduschen-Training beginnen.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.

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