Erziehung: Helikopter-Eltern mit Anforderungen des Elternseins überfordert – Folgen für Kinder enorm
„Kinder von heute sind unselbstständig, verwöhnt, ängstlich, leistungsschwach, egoistisch“, behauptet ein Erziehungswissenschaftler. Was zeigen Studien?
Der deutsche Erziehungswissenschaftler, Hochschullehrer und Autor Albert Wunsch polarisiert mit seinen Ansichten und Thesen über die heutige, moderne Kindererziehung. In seinen verschiedenen Erziehungsratgebern thematisiert und kritisiert er die Erziehungsformen der Eltern von heute, spricht sich gegen eine sogenannte „Spaßpädagogik“ aus.
Diese Thesen rufen gerade unter zahlreichen Eltern und Pädagogen zu hitzigen Diskussionen auf. Kindererziehung von heute setzt bewusst auf Erziehung durch Beziehung, um sich von Mustern des autoritären Umgangs zu lösen. Kinder könnten sich ihrer Person nach am besten entwickeln, wenn sie sich akzeptiert fühlten.
„Verwöhnte Kinder“: Pädagoge rechnet mit Helikopter-Eltern ab
Doch Wunsch sieht darin wiederum ein zu großes Maß an Aufmerksamkeit, das Kinder heutzutage zuteilwerden würde. Daraus resultiere, dass sie ein überzogenes „Ich“ und weniger ein Bewusstsein dafür entwickelten, dass Eltern nicht permanent gedanklich und physisch präsent sein könnten. Gerade Helikopter-Eltern seien ein Beispiel dafür.

Kindererziehung heute: Zu viel Aufmerksamkeit, zu wenig Selbstständigkeit
Laut dem Kritiker sollten Eltern von heute wieder mehr Regeln vorgeben, anstatt zu viel mit den Kindern zu diskutieren. Diskussionen, so der Autor, würden die Autorität der Eltern zunichtemachen. Klare und direkte Ansprachen, was Kinder tun bzw. nicht tun sollten, wäre wichtig, damit keine Machtspiele entstehen. Klarheit gäbe den Kindern Orientierung, so der Erziehungswissenschaftler. Das würde sie letztlich auch in ihrer Selbstständigkeit unterstützen.
Kindererziehung heute: Nur wenig Durchhaltevermögen und Belastbarkeit
Kinder von heute hätten nur wenig Durchhaltevermögen, würden schnell aufgeben und seien kaum belastbar. Gleichzeitig würden sie durch die gesteigerte Aufmerksamkeit der Eltern ein übersteigertes Selbstbewusstsein entwickeln, was ihnen nicht guttäte. Für Wunsch ist ganz klar, wer die Verantwortung für die angeblich schlechte Erziehung der Kinder von heute trägt: „Eltern betrachten ihre Kinder zu oft als ihr großes Projekt, als kleine Supermänner und Superfrauen. Sie versuchen, sich über die Kinder zu definieren.“ Eltern wurden verwöhnte Prinzen und Prinzessinnen heranziehen.
Kindererziehung heute: Ob Helikopter-Eltern verhaltensgestörte Kinder erziehen, zeigt Studie
Welchen Einfluss das Überbeschützen der Eltern auf die Entwicklung ihrer Kinder haben kann, prüften Forscher aus den USA und der Schweiz im Rahmen einer Studie, die sie in der Fachzeitschrift „Developmental Pychology“ veröffentlichten. Die Wissenschaftler, unter anderem Dr. Nicole Perry des Institute of Child Development von der University of Minnesota, untersuchten dabei 422 Kinder im Alter von zwei, fünf und zehn Jahren über einen Zeitraum von acht Jahren.
Kern der Untersuchungen war es, das Kontrollverhalten der Eltern gegenüber ihren Kindern – beim Spielen und beim Aufräumen – und die Reaktion der Kinder darauf zu beobachten und zu validieren. Des Weiteren ging es in der Studie darum, Kinder gemäß ihrer Emotions- und Selbstkontrolle sowie Frustrationstoleranz im Kindergarten und in der Schule zu untersuchen und einzustufen. Die Forscherinnen konnten dabei einen Zusammenhang feststellen: Die Tatsache, dass Mütter ihre Kinder im Alter von zwei Jahren überkontrollierten, hatte eine negative Entwicklung der Emotions- und Selbstkontrolle der Kinder ab fünf Jahren zur Folge.
„Unsere Forschung hat gezeigt, dass Kinder mit Helikopter-Eltern möglicherweise weniger in der Lage sind, die anspruchsvollen Anforderungen des Erwachsenwerdens zu bewältigen, insbesondere bei der Navigation in der komplexen Schulumgebung“, erklärte die Autorin der Studie Dr. Perry gegenüber The Guardian. „Kinder, die ihre Emotionen und ihr Verhalten nicht effektiv regulieren können, werden wahrscheinlicher im Unterricht stören, mehr Probleme haben, Freunde zu finden und Probleme in der Schule haben.“
Moderne Kindererziehung: Eltern und Experten rücken gesunde Beziehung in den Vordergrund
Bisher existieren noch keine zahlreichen, wissenschaftlichen Belege aus validen Studien für die These „verhaltensgestörte Kinder als Folge von Helikopter-Eltern“, weitere umfassende Langzeitstudien sind notwendig. Letztlich müsse auch zunächst sichergestellt werden, ob eine krankhafte Ursache für die „Verhaltensstörung“ vorliegt.
Nicht nur die Eltern von heute erleben hautnah, dass eine vertrauensvolle Beziehung zu ihren Kindern nur möglich ist, wenn sie Verständnis zeigen und dem Kind Mitsprache sowie Selbstbestimmung einräumen und weniger ausschließlich Kontrolle ausüben. Das weiß auch die Diplom-Pädagogin und Bestsellerautorin Susanne Mierau, deren Credo „Bindung ist Lebensthema“ ist.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist bereits in der Vergangenheit erschienen. Er hat viele Leserinnen und Leser besonders interessiert. Deshalb bieten wir ihn erneut an.
Kindererziehung heute: Resilienz ist wichtig für eine gesunde Entwicklung
Eine wachsende Zahl von Familientherapeuten stellt im Rahmen ihrer Beobachtungen fest, dass Kinder sich dann ihrem Naturell gemäß entwickeln, wenn sie sich angenommen fühlen. Die wichtigsten Eckpfeiler dafür seien:
- Bindung
- Resilienz
- Demokratie in der Erziehung
„Wir wissen, dass eine sichere Bindung eigentlich Grundvoraussetzung dafür ist, mit Herausforderungen, Krisen und Ängsten gut umgehen zu können, das heißt für die Ausbildung von Resilienz. Die Förderung der Resilienz, also der psychischen Widerstandskraft, ist ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung von Kindern und eine bedeutsame Schlüsselkompetenz der Zukunft.“, so Diplom-Pädagogin Susanne Mierau. In Anbetracht der heutigen Zeit mit Krisen wie Corona und Krieg gewinnt die Entwicklung der Resilienz bei Kindern mehr denn je an Bedeutung.
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren RedakteurInnen leider nicht beantwortet werden.