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OP-Roboter-Premiere: Roboter revolutioniert Operation – Dr. Denis Ehrl von der LMU München erklärt Vorteile

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Von: Andreas Beez

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Dr Denis Ehrl am Steuermodul des Roboters
OP-Premiere geglückt: Privatdozent Dr. Denis Ehrl an den Joysticks des Robotersystems Da Vinci. Es wurde jetzt am LMU Klinikum erstmals in der plastischen Chirurgie für einen großen Eingriff bei einem Krebspatienten eingesetzt. © Team Ehrl-Karcz/LMU Klinikum

In der plastischen Chirurgie haben Spezialisten des LMU Klinikums erstmals einen OP-Roboter eingesetzt – die OP-Premiere war erfolgreich. Weitere Krebspatienten sollen von der Technologie profitieren.

Der Patient schluckte erstmal, als er vom Plan der Ärzte erfuhr: Sie mussten einen gewaltigen Weichteiltumor an seinem Hinterkopf entfernen, dieses sogenannte Sarkom maß circa 15 mal 15 Zentimeter. Um das Loch im Gewebe hinterher wieder zu verschließen, verpflanzten die plastischen Chirurgen des LMU Klinikums einen Rückenmuskel auf seinen Kopf. Genauer gesagt, den Latissimus. „Das ist der größte Muskel des Körpers. Jeder Mensch hat zwei davon, sie verlaufen links und rechts der Wirbelsäule“, erklärt Privatdozent Dr. Denis Ehrl (40), stellvertretender Direktor der Abteilung.

Bei herkömmlicher OP ist ein 40 Zentimeter langer Hautschnitt nötig

Was für Laien fast schon unheimlich klingt, ist für Experten wie Ehrl Standard. Die Strategie, den Latissimus zum Decken von Defekten zu verwenden, wie es in der Fachsprache heißt, hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Aus zwei wesentlichen Gründen: Zum einen kann man auch mit nur noch einem dieser beiden Rückenmuskeln ohne größere Einschränkungen leben, zum anderen eignet er sich hervorragend zur Transplantation. „Er wird im Wesentlichen nur durch ein Hauptgefäß mit Blut versorgt, lasst sich dadurch relativ leicht vom Gefäßsystem trennen und wieder annähen“, erläutert Ehrl. Allerdings müssen die Spezialisten bei einer herkömmlichen OP einen etwa 40 Zentimeter langen Hautschnitt setzen, um den Muskeln zu entnehmen.

Der Chirurg Ehrl steuert den OP-Roboter
Hightech im Operationsaal: Privatdozent Dr. Denis Ehrl steuert den Roboter mit Joysticks. Auf dem Bildschirm sieht man die Roboterarme im Körper der Patienten. Der OP-Tisch steht einige Meter entfernt. © LMU Kllikum/Team Ehrl-Karcz

Roboter ermöglicht Operation mit wesentlich kleineren Schnitten

Mithilfe des Roboters konnten die Plastischen Chirurgen ihrem Patienten diesen Riesenschnitt ersparen. Stattdessen reichten ihnen jetzt zwei etwa ein Zentimeter kleine Zugänge, um die Roboterarme in den Körper einzuführen, sowie eine etwa sechs Zentimeter lange Öffnung, um den Muskel zu „bergen“. „Die geringeren Schnitte bedeuten einen enormen Unterschied. Dadurch ist die Entnahme des Muskels für den Patienten wesentlich schonender, die Heilung wird beschleunigt“, berichtet Ehrl.

Operateur Ehrl steuert die filigranen Roboterarme mit Joysticks

Während der Roboter-OP arbeiten seine filigranen und beweglichen Arme praktisch unter der Haut. Sie werden vom Operateur mit Joysticks gesteuert, dabei sitzt er mehrere Meter vom OP-Tisch entfernt und schaut konzentriert in einen Monitor. Direkt am Patienten stehen seine Assistenten und überwachen den Eingriff. Entscheidend dabei: Der Roboter macht keinen Handstreich von alleine, der Arzt ist zu jedem Zeitpunkt Herr des Verfahrens.

Der Da Vinci Roboter im OP-Saal von Großhadern
Das Robotersystem Da Vinci gilt als Klassiker unter den OP-Robotern und wird immer wieder technisch nachgerüstet. Jetzt wird es auch in der plastischen Chirurgie genutzt, um schonender zu operieren. © Denis Ehrl/LMU Klinikum

Robotersystem Da Vinci hat sich in anderen medizinischen Fachgebieten bereits bewährt

Bei der OP-Premiere in der plastischen Chirurgie setzten die LMU-Spezialisten das etablierte Robotersystem Da Vinci ein. Es hat sich bereits seit vielen Jahren in anderen medizinischen Bereichen bewährt und wurde über die Jahre immer wieder technisch verfeinert. „Ursprünglich ist Da Vinci mal für Herz-Operationen entwickelt worden. Aber vielen Patienten ist er aus der Urologie und aus der Viszeralchirurgie ein Begriff, wird dort sehr erfolgreich unter anderem für Operationen an der Prostata oder am Darm eingesetzt“, berichtet Professor Konrad Karcz, Leiter der Arbeitsgruppe „Minimal-invasive Chirurgie/Chirurgische Technologische Innovationen“ am LMU Klinikum. Möglich wurde die intensive Vorbereitung auch dank der Unterstützung der beiden Chefs der Plastischen Chirurgie und der Urologie, Prof. Riccardo Giunta und Prof. Christian Stief.

Roboter-Spezialist Karcz als Coach

Weil Bauchchirurg Karcz (50) besonders viel Erfahrung mit dem Da-Vinci-Roboter besitzt, stand er seinem Kollegen Ehrl praktisch als Coach zur Seite. Vor der OP-Premiere trainierte der plastische Chirurg stundenlang in Simulationen jeden einzelnen Arbeitsschritt. Im Falle seines Krebspatienten Mirbagir standen Ehrl auch noch Kollegen von der Neurochirurgie zur Seite. Weil der Tumor in die Schädeldecke hineingewachsen war, mussten sie einen Teil entfernen und durch künstlichen Knochen ersetzen.

Gruppenbild Patient mit seinem Neffen und den Ärzten
Überglücklich: Krebspatient Mirbagir (64; 2. von rechts), flankiert von seinem Neffen Ramil (35; 2. v. li.) und seinen Ärzten Privatdozent Dr. Denis Ehrl (rechts) und Professor Konrad Karcz vom LMU Klinikum © Andreas Beez

Patient (64) aus der Ukraine kämpft seit 25 Jahren gegen Krebserkrankung

Trotz der großen Strapazen erholte sich der Patient erstaunlich schnell. Schon wenige Tage nach dem Eingriff durfte der 64-jährige Ukrainer das Klinikum verlassen, nur einige Wochen später ist der Heilungsprozess der Wunde gut vorangekommen. „Ich kämpfe seit 25 Jahren immer wieder gegen diese Krebserkrankung, bin bereits mehrfach operiert worden. Aber zuletzt war der Tumor stark gewachsen. Ich bin froh, dass er so gut entfernt werden konnte, und bin den tollen Ärzten des LMU Klinikums dankbar für mein neues Leben“, erzählt Mirbagir.

Neffe berichtet: „Seine Augen funkeln wieder, sie sind voller Leben“

Die ganze Familie ist überglücklich, dass es dem 64-Jährigen wieder gut geht – zumal sie erst kürzlich einen schweren Schicksalsschlag verkraften musste. Mirbagirs Sohn ist im Alter von nur 35 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben, mit dem Vater trauen auch seine drei weitere Kinder und sechs Enkelkinder. Mirbagirs erfolgreiche Behandlung hat wieder etwas Licht in den Alltag der Familie gebracht. „Insbesondere die Kleinen sind froh, dass sie ihren Opa wieder haben und mit ihm spielen können“, berichtet Mirbagirs Neffe Ramil (35). „Trotz unserer Trauer um meinen Cousin freuen wir uns alle darüber, dass er wieder bei uns ist. Wenn er mit seinen Enkeln herumtobt, sieht man wieder ein Funkeln in seinen Augen. Sie sind voller Leben.“

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