Rente ab 70? Experte nennt Vorschlag „groben Unfug“
Wirtschaftswissenschaftler plädieren in Deutschland für die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre. Ein Experte hält davon jedoch nichts.
München – Um der steigenden Inflation entgegenzuwirken, sprachen sich Wirtschaftswissenschaftler im Mai 2022 für eine knallharte Forderung aus: Das Renteneintrittsalter soll ihrer Meinung nach auf 70 Jahre angehoben werden. „Das Renteneintrittsalter muss steigen. Deutschland hat schon heute ein riesiges Fachkräfteproblem, hunderttausende Stellen sind unbesetzt“, lautet beispielsweise die Einschätzung von Prof. Gunther Schnabl, Leiter vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig. Von dieser Forderung hält der Ökonom Prof. Axel Börsch-Supan allerdings nichts.
Rente ab 70? Experte hält Vorschlag für „groben Unfug“

„Die Rente mit 70 ist grober Unfug – und es ist wichtig, dass man das den Leuten sagt“, erklärt Börsch-Supan gegenüber der „WirtschaftsWoche“. Im Vordergrund sollte stehen, dass wir noch acht Jahre haben, um die Rente mit 67 Jahren zu erreichen. 2030 wird die Anpassung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre abgeschlossen sein. Zuvor lag es bei 65 Jahren. Seit der Rentenreform von 2012 wird sie allerdings von 65 Jahren schrittweise für Männer und Frauen auf 67 Jahre angehoben. „Dafür muss man sich bemühen, dass die Menschen gesund bleiben und auch bis zu diesem Alter gut arbeiten können“, so der Wissenschaftler.
Manche Wissenschaftler argumentieren mit Blick auf die Erhöhung des Rentenalters mit einer alternden Gesellschaft – nach dem Motto: „Wer länger lebt, kann auch länger arbeiten.“ Auch Börsch-Supan plädiert weiterhin dafür, den Renteneintritt an die steigende Lebenserwartung zu koppeln. „Natürlich gilt das noch, denn umgekehrt kann man ja nicht sagen: ‚Wir leben alle länger, aber aus gesundheitlichen Gründen können wir nicht länger arbeiten‘“, äußert er gegenüber dem Wirtschaftsmagazin. Dennoch dürfe man nicht schlagartig, sondern „nur sehr langsam zu einem späteren Renteneintritt kommen – und auch nur, wenn die Lebenserwartung steigt.“ Aktuell stagniere sie allerdings wegen der Corona-Pandemie. Laut Prognosen werde sich das jedoch wieder ändern.
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Anpassung des Renteneintrittsalters: Experte schlägt Aufteilung von längerer Lebenszeit vor
Doch selbst dann schlägt der Wirtschaftswissenschaftler vor, „dass Menschen nur einen Teil ihrer längeren Lebenszeit auch länger arbeiten sollen und den anderen Teil länger in Rente gehen dürfen“. Laut den Prognosen des statistischen Bundesamts müsste das Rentenalter etwa alle zwölf bis 15 Jahre um ein Jahr angepasst werden. „Zur Rente mit 70 wäre es lange hin. Es ist daher falsch, sie in den Vordergrund zu stellen“, so Börsch-Supan.
Eine längere Lebenszeit sollte seiner Meinung nach deshalb gemäß dem aktuellen Verhältnis zwischen Arbeit und Rente aufgeteilt werden. „Aktuell befinden sich die Menschen etwa 40 Jahre in Arbeit und etwa 20 Jahre in Rente“ – was dem Verhältnis 2:1 entspricht. Um die zusätzliche Rentenzeit zu finanzieren, wäre dem Experten zufolge folgende Aufteilung sinnvoll: „Pro Jahr länger leben, vier Monate länger Rente und acht Monate länger Arbeit“. Damit bliebe das Rentensystem stabil und es würde niemandem etwas weggenommen. „Denn die Menschen wären durchaus länger in Rente, gewinnen also dazu.“
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.