Resilienz im Krieg: Wie die Psyche ein Trauma übersteht

Wer Krieg erlebt, kann unter schwersten Traumata leiden. Neben der individuellen Resilienz können weitere Faktoren die Psyche in Krisensituationen stärken.
Kiew – Als Ukrainer und Ukrainerinnen am Freitag, den 24. Februar 2022 morgens aufwachten, war ihr Leben plötzlich ein anderes. Der russische Präsident Wladimir Putin begann mit seiner Invasion in das osteuropäische Land. Seitdem befindet sich die Ukraine im Krieg mit Russland. Vor den Augen der Zivilisten explodieren Raketen, werden Häuser und sogar Krankenhäuser zerstört. Soldaten beschießen sich. Es sind Bilder und Erfahrungen, die sich in die Köpfe und Seelen der Menschen einbrennen – und sie nur schwer oder vielleicht gar nicht wieder loslassen werden.
Wenn Menschen Krieg erleben müssen, leidet die Psyche immens. In Deutschland können sich Menschen bei Angst vor einem Krieg, Hilfe suchen*. Dennoch kann die Seele auch solche Traumata überwinden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die individuelle Resilienz. Dabei gibt es mitunter bestimmte Strategien, um Krisen besser bewältigen zu können*. Da immer mehr Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland kommen, ist es umso wichtiger zu wissen, was die Psyche dieser Menschen jetzt am nötigsten braucht.
Resilienz im Krieg: Wie die Psyche ein Trauma überstehen kann
Krieg ist eine der schlimmsten Erfahrungen, die Menschen auf dieser Welt machen und erleben können. Es bedeutet maximaler Stress, der anschließend schlimme Traumata hinterlassen kann. Häufig sind die Folgen solcher Erlebnisse Depressionen, die oft mit einem Satz verharmlost werden*, posttraumatische Belastungsstörungen, Alkoholmissbrauch oder Angstzustände. Es gibt aber auch Fälle, bei denen sich Menschen von solchen Erfahrungen seelisch wieder erholen. Neben der persönlichen Resilienz spielen weitere Faktoren eine wichtige Rolle.
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Resilienz: Was ist das genau?
Zwar sei die Untersuchung von Resilienz von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern noch nicht ganz abgeschlossen. Laut dem „Geo Magazin“ ist sich die Forschung jedoch bereits sicher, dass es sich um einen komplexen psychischen Mechanismus handelt, der aus mehreren Faktoren besteht. Davon sind allerdings noch nicht alle völlig bekannt. Laut der bisherigen wissenschaftlichen Definition sind resiliente Personen fähig, ihre psychische Gesundheit während schwieriger Phasen zu erhalten oder sie danach bald wieder zu erreichen und zu stabilisieren. Man könnte auch sagen, dass diese Menschen kaum etwas aus der Bahn wirft. Selbst mit schlimmen Schicksalsschlägen lernen sie umzugehen und zurecht zu kommen.
Trauma und psychische Krankheiten nach Krieg: Mehrere Faktoren können die Seele krank machen
Nicht nur die innere Widerstandsfähigkeit trägt zur Entstehung und der Verarbeitung von Traumata bei. Auch folgende Faktoren spielen eine wichtige Rolle:
- Dauer und Ausmaß des Krieges: Sollte der Ukraine-Krieg noch länger andauern und sogar – wie einige Experten befürchten - brutaler verlaufen, so könnte dies Auswirkungen auf den erlebten Stress der Bevölkerung haben. Und damit unmittelbar auch zu schlimmeren psychischen Folgen unter den Betroffenen führen. Rita Rosner, Professorin für klinische und biologische Psychologie an der Universität Eichstätt, bestätigt gegenüber „Zeit Online“, dass sowohl die Dauer als auch das Ausmaß eines Krieges das Risiko für traumatische Erfahrungen erhöhen kann.
- Persönliche Traumalast: Unter Traumalast versteht man laut der Stress- und Traumaforscherin Iris-Tatjana Kolassa „die Menge der schrecklichen Ereignisse und das Ausmaß der erlebten mentalen Selbstaufgabe während des Traumas“. Laut der Wissenschaftlerin ist sie ein entscheidender Faktor dafür, ob jemand später körperlich oder psychisch erkrankt. Wenn ukrainische Flüchtlinge beispielsweise früh ins Ausland fliehen konnten, mussten sie dadurch die schlimmen Ausmaße des fortschreitenden Krieges nicht hautnah miterleben. Dann kann das für die Psyche weniger traumatisch sein als Mord und Totschlag aus nächster Nähe anschauen zu müssen. Die Bedrohung der eigenen körperlichen Unversehrtheit oder die eines Angehörigen können eine besonders schlimme Wirkung auf die Seele haben.
- Sind Kinder oder Erwachsene betroffen: Im Gegensatz zu Erwachsenen sind Kinder im Krieg* verletzlicher und hilfloser. Vertrauen und Sicherheit sind laut Areej Zindler, Leiterin einer Flüchtlingsambulanz in Hamburg, für sie „von existenzieller Bedeutung“. Sehen sie, wie ihre Eltern verletzt werden oder bluten, kann das für die Kinder traumatisch sein. Im Krieg erleben die Kleinen zudem Kontrollverlust und Ohnmacht, wenn sie beispielsweise plötzlich mit ihren Eltern fliehen müssen. Erwachsene haben hier mehr Handlungsspielraum, indem sie die Flucht ihrer Familie organisieren oder anderen helfen. Dieses Handeln kann einem das Gefühl von Kontrolle ein Stück weit zurückgeben.
Ukraine-Krieg: Was braucht die Psyche eines Flüchtlings?
Während der Krieg in der Ukraine weiter tobt, sind nach Informationen von Filippo Grandi, Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks, seit Beginn des Krieges mehr als 1,5 Millionen Menschen (Stand 6.3.) bereits in andere Länder geflüchtet. Auch in Deutschland wächst die Zahl derjenigen, die ihre Heimat verlassen mussten und nun Schutz suchen. Die Bereitschaft zur Unterstützung der Flüchtlinge ist groß. Doch was brauchen diese Menschen jetzt insbesondere, um die psychische Gesundheit wiederherzustellen oder zu stabilisieren?
Ukraine-Krieg: Flüchtlinge brauchen soziale Unterstützung
Soziale Unterstützung kann den Schutz der Seele beeinflussen und stärken. Haben die Betroffenen die Möglichkeit, sich über das Erlebte mit anderen auszutauschen und ihr Leid zu teilen, kann dies langfristige und negative Auswirkungen auf die Psyche abschwächen, so der Psychologe und Experte für Traumafolgestörungen, Andreas Maercker. Neben Zuwendung, Mitgefühl und der Anteilnahme benötigt die Seele vor allem auch das Gefühl des Willkommenseins.
Psychische Gesundheit von Flüchtlingen schützen: Struktur, Routinen und Aufgaben
Wichtig sind in solchen Krisensituationen vor allem auch Struktur und Routinen. Kinder sollten sich an einem festen Tagesplan orientieren können. Menschen in Flüchtlingsheimen brauchen zudem eine Aufgabe, der sie nachgehen können, um sich abzulenken. Von den eigenen Erlebnissen und den Bildern des Krieges, die sie auf ihrem Smartphone beispielsweise in sozialen Netzwerken fortlaufend präsentiert bekommen. Dies kann im schlimmsten Fall zu weiteren Traumatisierungen führen.
Hilfreich kann auch gesundes und frisches Essen, Bewegung, Spazierengehen in der Natur oder Singen sein. Eine Psychotherapie kann ebenso dabei helfen, die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten und sie zu überwinden. In Deutschland gibt es mehrere Möglichkeiten, um an einen Therapieplatz zu kommen*. Letztendlich wird dieses Schicksal jedoch immer ein Teil des Lebens sein und bleiben. Anstatt es zu verdrängen, sollten Betroffene deshalb dabei unterstützt werden, es in ihr Leben zu integrieren. *24vita.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren RedakteurInnen leider nicht beantwortet werden.