Schock nach Schreckensbotschaft: Psychologin erklärt, wie Sie Ihre Psyche gesund halten

Schwere Schicksalsschläge, unheilbare Krankheiten, Erfahrungen mit Gewalt, Unfälle, aber auch die Demenz eines Angehörigen oder eine Suchterkrankung im familiären Umfeld können Menschen schwer belasten. Wie man sich als Betroffener oder Angehöriger vor einem Schaden für die Seele schützen kann, erklärt die leitende Psychologin Sophie Heidler vom AMEOS Klinikum Bad Aussee in Österreich.
Anlass für unser Interview war die berührende Geschichte der 26-jährigen Erzieherin Tamara. Die junge Frau ging mit schlimmen Schmerzen wegen einer vermuteten Zyste zum Arzt und bekam dann im Krankenhaus die Diagnose, dass sie unheilbar an Magenkrebs erkrankt ist. Ihr Freund Florian begleitet sie seit dem überall hin – und hat sich gleich psychologische Hilfe gesucht, um die Diagnose zu verarbeiten und viel Kraft zu haben für Tamara. Er sagt: „Trauern kann ich später, jetzt will ich helfen und Beistand leisten.“ das könne er dank professioneller Hilfe um so besser.
Wie reagieren die meisten Menschen, wenn ein Schicksalsschlag passiert?
Auf Schockdiagnosen oder schwere Schicksalsschläge reagieren die Menschen verschieden. Die meisten geraten zunächst in einen Schockzustand, ihr Stresspegel steigt an. Das kann sich in weiterer Folge unterschiedlich auswirken. Während die einen grübeln, sich zurückziehen und von schrecklichen Fantasien geplagt werden, reagieren andere nach außen gerichtet, mitunter panisch und hysterisch.
Welche Rolle spielt die Lebenssituation?
Sie ist ein wichtiger, oft sogar entscheidender Faktor in Bezug auf den Umgang mit einem unerwarteten negativen Ereignis. Viel hängt davon ab, in welchem familiären und sozialen Gefüge der Betroffene lebt. Ob es sich etwa um einen alleinstehenden Menschen handelt oder um jemanden, der eine Familie – eventuell mit kleinen Kindern – versorgen muss. Wichtig ist zudem, ob es andere Erkrankungen gibt, die sich verschlimmern können, etwa Angst- oder Essstörungen. Von elementarer Bedeutung ist jedoch die generelle Lebenseinstellung der Betroffenen: ob sie trotz eines Schicksalsschlages lebensbejahend, zugewandt oder auch kämpferfisch sein können, vielleicht in ihrem Glauben Trost finden oder resignieren.
Woran erkennt man, dass man Gefahr läuft, schwer belastet zu werden?
Nach einem Schock fühlt man sich oft wie betäubt, desorientiert, man spürt Angst, Wut oder Verzweiflung, hat Erinnerungslücken oder Schweißausbrüche. Manche Betroffenen nehmen die Belastung gar nicht so sehr auf der Stimmungsebene wahr. Sie äußert sich zunächst körperlich, etwa durch Schmerz- oder Schlafstörungen. Nach einer Schocknachricht verhält es sich oft wie nach einem Trauerfall. Die Menschen durchlaufen verschiedene Phasen. Die erste davon ist eine Art Leugnungszustand, in dem man das schlimme Ereignis gar nicht wahrhaben möchte. Es ist normal, dass man zunächst Zeit braucht, um das Geschehene wirklich zu realisieren. In dieser Phase werden Gefühle noch nicht zugelassen.
Angehörige haben oft das Gefühl, dass sie sich selber zurücknehmen müssen, weil ja nicht sie krank sind. Wie betreibt man am besten Selbstfürsorge?
Das stimmt, die Angehörigen sind oft auch sehr belastet. Sie werden etwa von Ohnmachtsgefühlen oder Verlustängsten geplagt. Hier helfen Zuwendung und menschliche Nähe. Es gibt sogar Fälle, in denen der Kranke dann seine Angehörigen tröstet. Wer durch einen Schicksalsschlag schwer betroffen ist, dem tut ein gutes Gespräch gut, Freunde, die da sind.
Welche Strategien empfehlen sie noch?
Es sind oft auch die kleinen Dinge, die helfen: Ein warmes Bad, ein Spaziergang, regelmäßig zu essen. Auch wenn das überraschend einfach klingt, ist es wirklich wichtig. Denn nach einem Schock verliert man erst einmal auch das Hungergefühl und man isst dann nichts. Tägliche Gewohnheiten zu pflegen gibt den Betroffenen Halt und auch ein Gefühl der Sicherheit zurück, die durch die schockierende Änderung der Lebensumstände verloren gegangen ist. Ich rate, sich früh Unterstützung oder auch professionelle Hilfe zu holen, um den Schock gut verarbeiten zu können.
Was raten Sie Menschen, die Hemmungen haben, sich professionelle Hilfe zu holen?
Am einfachsten ist es vermutlich, zum Telefonhörer zu greifen und eine Seelsorge- oder Krisenhotline anzurufen. Bei dieser Form der Unterstützung geht es ums Zuhören, oft aber auch um Vermittlung, zum Beispiel zu einer ambulanten Therapie. Aber klar ist, man kann nur jemandem helfen, der sich auch helfen lassen will.
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion leider nicht beantwortet werden.