Corona-Medikamente: Welche sind auf dem Markt und was bringen sie?

Erst vor Kurzem wurden neue Medikamente gegen das Coronavirus zugelassen. Im Einsatz sind sie aber teilweise schon länger. Was bringen sie? Experten klären auf.
Saarbrücken – Zunächst gab es die nachweislich wirksamen Impfstoffe. Jetzt sind in der EU auch die ersten Medikamente zugelassen, die das Coronavirus direkt attackieren. Experten beurteilen die Studien über die Arzneimittel durchaus positiv.
Corona-Medikamente: Welche sind auf dem Markt und was bringen sie?
Die neuen Medikamente schützen zwar nicht vor einer Infektion, sie können aber einen schweren Krankheitsverlauf verhindern, wenn man sich angesteckt hat. „Die Medikamente sind eine Säule in der Coronavirus-Bekämpfung“, sagt Pharmazie-Professor Thorsten Lehr von der Universität des Saarlandes. „Es ist gut, dass wir endlich diese Mittel haben.“ Doch eine Kehrtwende für die Pandemie sieht der Wissenschaftler aus Saarbrücken darin noch nicht. „Die Impfung ist der billigere und definitiv viel bessere und effizientere Weg.“
Auch wenn die Arzneien jetzt erst zugelassen wurden: Es gibt sie schon seit Monaten in Deutschland. Bereits Anfang 2021 hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (41, CDU) für 400 Millionen Euro 200.000 Dosen Antikörper-Medikamente gekauft. Diese wurden aber nur selten eingesetzt. „Ein besonderer Einfluss war im vergangenen Jahr nicht zu erkennen“, so Lehr. Für die vierte Welle spielten sie bislang nur eine untergeordnete oder zusätzliche Rolle.
Corona-Medikamente: Die neuen Mittel sind jetzt zugelassen
Jüngst gab die EU für diese zwei Antikörper-Medikamente grünes Licht: „Ronapreve“ des Schweizer Pharmaunternehmens Roche und „Regkirona“ des Herstellers Celltrion aus Südkorea. Sie binden bei Infizierten das Spike-Protein von Sars-CoV-2 an sich, sodass der Erreger nicht in die Körperzellen eindringen kann. Damit soll dessen Ausbreitung verhindert und die Viruslast möglichst niedrig gehalten werden.
Beide Mittel müssen als Infusion verabreicht werden. Das findet meistens im Krankenhaus statt. Seit Kurzem wird die Behandlung nach Angaben des Münchner Universitätsklinikums Rechts der Isar dort auch ambulant angeboten.
Corona-Medikamente: Risiko für schweren Verlauf sinkt um 70 Prozent
Diese Antikörper funktionieren im Grunde wie diejenigen, die sich nach einer Impfung oder Infektion bilden, nur dass sie von einer Pharmafirma produziert werden und nicht vom eigenen Körper. „Der Antikörper hat absolut die gleiche Wirkung“, so Lehr. Bei Ronapreve, einem Antikörper-Cocktail aus Casirivimab und Imdevimab, zeigen Studien: Die Gefahr für Risiko-Patienten, nach einer Corona-Infektion ins Krankenhaus zu kommen oder gar zu sterben, ist damit um 70 Prozent reduziert. Zudem soll sich bei frisch Infizierten die Viruslast um 90 Prozent verringern und die Gefahr, überhaupt Symptome zu entwickeln, um etwa die Hälfte.
Regkirona mit dem Antikörper Regdanvimab zeigt bei Patienten mit milden bis moderaten Symptomen, dass sie schneller genesen und seltener einen schwereren Verlauf haben. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA verweist etwa auf eine Studie, nach der rund drei Prozent der behandelten Patienten in Kliniken eingewiesen werden mussten, Sauerstoff bekamen oder sogar starben. Bei den Patienten, die das Mittel nicht bekommen hatten, waren es gut elf Prozent.
Corona-Medikamente: Nicht so wirksam wie Booster-Impfung
„Die Medikamente haben eine ganz gute Schutzwirkung, aber mit einer Wirksamkeit von etwa 75 Prozent gegen schwere Verläufe liegen sie noch unter der Wirksamkeit von mRNA-Impfungen, vor allem nach einer Booster-Impfung“, sagt Lehr. Zudem müsse sich erst noch beweisen, wie effektiv die Medikamente in der Realität seien. Denn Ergebnisse aus klinischen Studien seien in der Regel nicht eins zu eins übertragbar, die Wirksamkeit möglicherweise niedriger.
Und es gibt noch einen Haken: Die beiden Mittel sind nicht für alle Corona-Betroffenen geeignet, sondern eigentlich nur für Patienten mit Risiko für einen schweren Verlauf, wenn sie noch keine oder wenige Symptome zeigen. „Wenn sie zu spät eingesetzt werden, wirken die Mittel deutlich schlechter“, erklärt Lehr.
Corona-Medikamente: Oftmals kommen Antikörpermittel zu spät zum Einsatz
Auch der Virologe Christian Drosten (49) von der Berliner Charité sagte Ende September, dass eine Verabreichung der Antikörper-Mittel „fast immer schon zu spät“ sei. Denn bei einem durchschnittlichen Patienten habe sich das Virus bereits zu Symptombeginn im Körper stark vermehrt.
Daran wird derzeit geforscht:
- Weltweit wird nach Angaben des US-Biotech-Branchenverbands Bio an mehr als 600 Medikamenten gegen Covid-19 geforscht.
- Die meisten davon seien ursprünglich gegen andere Krankheiten entwickelt worden, heißt es vom Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland.
- Zehn Präparate befinden sich bei der EMA auf verschiedenen Stufen im Zulassungsverfahren.
Bis vor Kurzem war das einzige in der EU zugelassene Medikament das antivirale Mittel Remdesivir des US-Konzerns Gilead (Handelsnamen Veklury). Anders als Ronapreve und Regkirona wird das ursprüngliche Anti-Ebola-Mittel nicht bei milden Infektionen verabreicht, sondern bei Corona-Patienten mit Lungenentzündung, die zusätzlich Sauerstoff (aber noch keine invasive Beatmung) brauchen.
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Mittlerweile schätzen Experten etwa der Weltgesundheitsorganisation WHO oder des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen den Nutzen des Medikaments als eher überschaubar ein. Daneben kommen in Deutschland weitere Mittel zum Einsatz, die nicht das Coronavirus direkt ins Visier nehmen, sondern Komplikationen, die der Erreger auslöst.
Corona-Medikamente: Dieses Mittel wird bei schweren Verläufen verabreicht
Das entzündungshemmende Dexamethason zum Beispiel soll bei invasiv beatmeten Patienten auf der Intensivstation eine überschießende Immunreaktion bremsen. Bei solch einer Reaktion kann das Immunsystem die Viren verfehlen und sich gegen körpereigene Gewebe richten.
Auch Medikamente wie Baricitinib (Eli Lilly), Anakinra (Sobi) oder Tocilizumab (Roche), die sich im EMA-Zulassungsverfahren befinden, zielen auf die Folgen einer Viruserkrankung ab. Vor allem bei schweren Verläufen werden diese Mittel verabreicht. „Das Immunsystem zu früh herunterzuregulieren, ist auch gefährlich, denn dann gäbe es keine körpereigene Abwehr mehr gegen Sars-CoV-2“, sagt Lehr.
Corona-Medikamente: EMA startet Prüfung für Grippemittel
Daneben gebe es zwei antivirale Medikamente, die eine „ganz ordentliche Wirksamkeit gezeigt haben“, so Lehr. Also Präparate, die direkt den Vermehrungszyklus der Viren unterbrechen sollen. Bei Molnupiravir (MSD/Merck), das ursprünglich gegen Grippe entwickelt wurde, zeigte sich in der sogenannten Phase-III-Studie eine Halbierung der Zahl von Covid-Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Erst kürzlich gab die EMA bekannt, mit der Prüfung für eine Zulassung zu starten. (Mit Material von dpa) *Merkur.de.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren RedakteurInnen leider nicht beantwortet werden.