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Coronavirus: Immer mehr Geimpfte haben schwere Verläufe – kann es jeden treffen?

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Von: Jennifer Köllen

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Geimpft auf der Intensivstation: Impfdurchbrüche passieren immer häufiger. Warum? Wer ist gefährdet? Und hilft der Booster wirklich? Alle Antworten.

Berlin – Es ist beunruhigend: Immer mehr Geimpfte bekommen Corona – manche davon haben sogar schwere Krankheitsverläufe und müssen auf die Intensivstation. Sogenannte Impfdurchbrüche passieren vor allem bei Menschen mit einer eingeschränkten Immunantwort, zum Beispiel als Folge einer medikamentösen Schwächung des Immunsystems. Doch was ist mit allen anderen? Sind sie sicher?

Vor zwei Monaten gab es bei zehn Corona-Patienten auf der Intensivstation nur einen Impfdurchbruch. Mittlerweile ist die Zahl stark angestiegen: Derzeit sind über 45,6 Prozent der über 60-jährigen Covid-19-Patientinnen und -Patienten auf der Intensivstation geimpft. Bei den 18- bis 59-Jährigen sind es 23,7 Prozent. Die Zahl habe deutlich und sprunghaft zugenommen, sagte Uwe Janssens, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Damit ist fast die Hälfte der älteren Corona-Patienten auf den Intensivstationen geimpft. Dabei gilt die Impfung derzeit als einziger Schutz. Wie kann das also sein?

Coronavirus: Immer mehr Geimpfte haben schwere Verläufe – kann es jeden treffen?

Immer mehr schwere Verläufe, obwohl die Zahl der Geimpften steigt – das hat verschiedene Gründe. „Dass im Laufe der Zeit mehr Impfdurchbrüche verzeichnet werden, ist erwartbar, da generell immer mehr Menschen geimpft sind und sich SARS-CoV-2 derzeit wieder vermehrt ausbreitet. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, als vollständig geimpfte Person mit dem Virus in Kontakt zu kommen“, erklärt das RKI.

Außerdem gibt es seit einigen Wochen die neue Corona-Variante Omikron. Sie verbreitet sich noch schneller als die hochinfektiöse Delta-Variante aus, was man an den derzeitigen Entwicklungen in Großbritannien sieht: In London macht Omikron bereits 40 Prozent aller Neuinfektionen aus. Man könne sich nicht auf die Hoffnung verlassen, dass es bei Omikron nur milde Verläufe gebe, sagte Premierminister Boris Johnson (57) beim Besuch eines Impfzentrums in London. In der englischen Hauptstadt hatte es kürzlich den ersten Todesfall durch die neue Variante gegeben.

Antikörper reagieren auf das Coronavirus Covid-19. (Symbolbild)
Antikörper reagieren auf das Corona-Virus Covid-19: Trotz Impfung gibt es immer mehr Impfdurchbrüche. (Symbolbild) © Science Photo Library/Imago

Auch der britische Gesundheitsminister Sajid Javid (52) warnte drastisch vor der sich rasant ausbreitenden Virusvariante, wie tagesschau.de berichtet: „Es breitet sich mit phänomenaler Geschwindigkeit aus. So etwas haben wir noch nie beobachtet.“ Die Infektionen sollen sich alle zwei bis drei Tage verdoppeln. Experten vermuten, dass die fünfte Welle bald auch zu uns nach Deutschland schwappt.

Coronavirus: Vierte Welle rollt – Impfung bietet guten, aber keinen vollständigen Schutz

Auch ein Grund: Die Impfstoffe wirken weniger zuverlässig gegen die hochansteckende Delta-Variante. Gegen die Alpha-Variante schützen die Impfstoffe bis zu 95 Prozent. Bei Delta liegt dieser Schutz nur noch bei ungefähr 80 Prozent. Und bei Omikron sieht es noch schlechter aus (siehe weiter unten).

Noch ein Problem: Der Schutz der Impfung lässt mit der Zeit nach. Wie schnell, zeigt eine Studie aus Israel, bei der Forscher Daten von mehr als 80.000 geimpften Personen ausgewertet haben. Das Ergebnis: In den ersten drei Monaten nach der zweiten Impfdosis lag der Anteil der Corona-Infektionen trotz Impfung bei rund 1,3 Prozent. Der Impfschutz war also sehr hoch, die Forscher nennen ihn sogar „exzellent“. Im vierten Monat stiegen die Ansteckungsraten plötzlich messbar an. Nach mehr als 180 Tagen, also sechs Monate nach der zweiten Impfdosis, lagen die Impfdurchbrüche dann bei 15,5 Prozent.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (58, SPD) zeigte sich bereits im August besorgt über die Impfdurchbrüche. „Laut einer neuen Studie kommt es bei 19 Prozent der Menschen mit Impfdurchbrüchen zu einem Long Covid-Problem“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte damals der Funke Mediengruppe. Dabei würden sich Durchbruchsinfektionen vor allem bei den Menschen ereignen, deren Impfung länger als sechs Monate zurückliegt. Aus allen genannten Gründen lautet von Wissenschaftlern, Experten und Politikern jetzt der Appell an alle: Holt euch den Booster!

Coronavirus: Auffrischimpfung für alle – was bringt der Booster wirklich?

Die gute Nachricht: Der Booster wirkt tatsächlich und erhöht den Schutz vor Corona deutlich. Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, sagte, der Booster bewirke einen extrem guten Schutz, besonders vor schwerer Erkrankung. Das bestätigen auch mehrere Studien.

Eine aktuelle Untersuchung von Forschern um Nick Andrews von der UK Health Security Agency (UKHSA) hat ergeben: Bei der Delta-Variante sinkt der Impfschutz ab der 25. Woche nach der zweiten Dosis auf knapp 42 Prozent (AstraZeneca) und auf 63,5 Prozent (Biontech). Eine Auffrischungsimpfung lässt den Schutz auf über 90 Prozent steigen. Das berichtet wiederum das Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die Studie zeigt auch, wie wichtig der Booster vor allem wegen der neuen Omikron-Variante ist. Menschen, die mit zwei Dosen des AstraZeneca-Präparats geimpft worden waren, hatten gar keinen Schutz mehr vor der Infektion mit Omikron. Die gute Nachricht: Zwei Wochen nach einer Booster-Impfung stieg die Schutzwirkung bei beiden Präparaten wieder an – auf über 70 Prozent.
Das zeigt: Menschen jeden Alters sollten sich bald einen Booster holen, spätestens sechs Monate nach der letzten Impfung. Denn je mehr Antikörper im Blut sind, desto besser ist der Schutz vor einem schweren Verlauf. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit ist der Schutz durch den Booster wichtig – da die Kontakte wieder stark ansteigen.

Antikörper reagieren auf das Corona-Virus (Symbolbild)
Antikörper reagieren auf das Corona-Virus (Symbolbild) © Science Photo Library/Imago

Coronavirus: Auffrischimpfung für alle – wer den Booster bekommt

Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) allen Personen ab 18 Jahren eine Auffrischimpfung – also den Booster. Eine Verkürzung des Impfabstandes auf fünf Monate kann im Einzelfall oder wenn genügend Kapazitäten vorhanden sind, erwogen werden. Unabhängig davon, welcher Impfstoff zuvor verwendet wurde, soll für die Auffrischimpfung ein mRNA-Impfstoff infrage kommen.

Die Stiko bekräftigt jedoch ihre Empfehlung, folgenden Personengruppen prioritär eine Auffrischimpfung anzubieten:

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Coronavirus: Können Impfdurchbrüche auch Jüngere treffen?

Jetzt die guten Nachrichten: Geimpfte Kinder und Jugendliche sind nach ersten Zahlen des Gesundheitsministeriums gut gegen Corona-Erkrankungen geschützt. Unter 29.100 vollständig geimpften Kindern und Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren gab es bis zum 10. November insgesamt 56 Impfdurchbrüche, teilte das Ministerium am Dienstag in Erfurt mit. Das ist ein Anteil von 0,19 Prozent. Die Krankheitsverläufe wären mild bis moderat gewesen.

„Die Zahlen sprechen eine klare Sprache“, sagte Gesundheitsministerin Heike Werner (52, die Linke). Die Impfung schütze gerade bei jungen Menschen nicht nur vor einem schweren Krankheitsverlauf, sondern auch vor Ansteckung und Weitergabe des heimtückischen Virus.

Coronavirus: Inzidenz bei Ungeimpften bis zu 28 Mal höher

Nach wie vor ist die Impfung derzeit die einzige Waffe gegen Corona, vor schweren Verläufen oder sogar dem Tod. Ohne eine Impfquote von 70 Prozent sähe es in Deutschland viel schlechter aus. Das zeigt eine Studie der Humboldt-Universität Berlin. Die Experten dort haben berechnet, wie wichtig die Impfung für die Entwicklung der Pandemie ist. 

Das Ergebnis: Im Oktober waren 67 bis 76 Prozent aller Menschen mit Neuinfektionen ungeimpft. Außerdem schätzen die Wissenschaftler, dass 38 bis 51 Prozent der infizierten Ungeimpften wiederum andere Ungeimpfte infizieren. Ungeimpfte sind demnach in acht bis neun von zehn Fällen an Neuinfektionen beteiligt. 

Diese Daten werden vom Robert Koch-Institut bestätigt: Während die Inzidenzen bei den Geimpften in dieser Zeit ein- bis zweistellig waren, waren sie bei den Ungeimpften deutlich dreistellig. Drastisch zeigen das etwa Zahlen aus Hamburg von Mitte November: In Hamburg lag die Inzidenz unter Geimpften, die einen Impfdurchbruch erlitten haben, lediglich bei 22. Bei Ungeimpften lagen Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen bei 605 – also 28 Mal höher. 

(Dieser Artikel wurde zuletzt am 15.12.2021 aktualisiert) *fr.de, merkur.de und 24hamburg.de sind Angebote von IPPEN.MEDIA.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.

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