Narzissmus bei Eltern: Wenn die Kinder darunter leiden

Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung belasten ihr gesamtes Umfeld. Welchen Einfluss hat das auf die Kinder dieser Eltern?
München – Selbstverliebt, egozentrisch, geltungsbedürftig. Solche Eigenschaften werden Narzissten zugeschrieben. Sie interessieren sich hauptsächlich für sich, manchmal sogar nur für sich. Ein narzisstischer Persönlichkeitsstil muss aber nicht zwangsläufig krankhaft sein, sofern er Teil einer harmonischen Persönlichkeit ist, wie die Neurologen und Psychiater im Netz schreiben. Von einer Störung spricht man erst, wenn weitere Punkte hinzukommen.
Narzissmus bei Eltern: Wenn die Kinder darunter leiden
F60.8 – Persönlichkeit(sstörung): narzisstisch. Darunter führt die Klassifikation ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) die Persönlichkeitsstörung. Während im ICD-10 die narzisstische Persönlichkeitsstörung innerhalb der Kategorie Persönlichkeitsstörung nicht weiter definiert wird, listet die American Psychiatric Association (APA) folgende Merkmale auf. Für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung müssen fünf davon erfüllt sein:
- Person hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit: Übertreibt und überschätzt die eigenen Leistungen und Talente (auch die ihrer Kinder). Erwartung ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden
- Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe
- Glaubt einzigartig zu sein: Verstehen können sie nur andere besondere oder angesehene Personen (oder Institutionen)
- Verlangen nach übermäßiger Bewunderung
- Erwartet bevorzugte Behandlung
- Zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Hilft nur, wenn sie sich davon einen Nutzen verspricht
- Mangel an Empathie und Einfühlungsvermögen
- Häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf sie
- Zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen
Die Verhaltensweisen gründen jedoch auf einem geringen Selbstwert. Narzissten benötigen die Überheblichkeit, um sich innerlich stark und stabil zu fühlen. Fühlen sie sich in ihrem Selbstwert bedroht, reagieren sie heftig. Dementsprechend sensibel sind sie in Bezug auf Kritik. Entzieht oder verweigert ihnen jemand das symbolische Beifall-Klatschen oder äußert Kritik, werden sie mitunter wütend, verletzend oder können gar gewalttätig werden. Eine Studie untersuchte, ob Augenbrauen und Persönlichkeitsstörungen zusammenhängen können.*
Narzissmus bei Eltern: emotionaler Missbrauch
Leidet eine Mutter oder Vater an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, leidet auch das Kind. Denn „narzisstische Eltern benutzen ihre Kinder zur Befriedigung ihrer narzisstischen Bedürfnisse“, sagt die Psychologin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf Silke Wiegand-Grefe gegenüber dem Magazin Spektrum. Sie benötigen die Liebe, Anerkennung und Bewunderung aller – auch die ihrer Kinder. Für etwas oder jemand anderen bleibt da kein Platz. Schon gar nicht für die Bedürfnisse eines Kindes. Diese werden oft nicht einmal wahrgenommen. Aber Kinder brauchen Zuneigung, emotionale Nähe und das Gefühl wichtig zu sein, um ein stabiles Selbstwertgefühl zu entwickeln.
Außerdem übertragen narzisstische Eltern ihre hohen Ansprüche in der Regel auf ihre Kinder. Können diese die Noten, den sportlichen Erfolg oder das Schönheitsideal des Narzissten nicht erfüllen, droht den Kindern Liebesentzug. Sie fühlen sich ungeliebt und wertlos. Das Kind lernt: nur wenn ich mich so oder so verhalte, liebt mich mein Papa oder meine Mama. Man spricht in solchen Fällen von emotionalem Missbrauch.
Wie Narzissmus auf Kinder wirkt, ist noch nicht wissenschaftlich erforscht. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben Kinder mit psychisch kranken Eltern eine sehr erhöhte Wahrscheinlichkeit, selbst seelisch zu erkranken (1,8 bis 2,9-fach erhöht).
Wichtig für betroffene Kinder ist, dass sie sich bewusst werden, dass ihre Gesundheit an erster Stelle steht und nicht die der Mutter oder des Vaters. Helfen kann psychologische Beratung. Wer die Störung kennt und darüber Bescheid weiß, kann dann für sich selbst entscheiden, wie sie oder er mit dem Elternteil umgehen möchte. Für manche ist es sogar besser, den Kontakt ganz abzubrechen.
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Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren RedakteurInnen leider nicht beantwortet werden.