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Nur Lob reicht nicht: Was Kinder laut Psychologin brauchen

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Von: Judith Braun

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„Lob ist wie Dünger – ein schöner Zusatz“: Statt Lob brauchen Kinder aber laut einer Psychologin von ihren Eltern Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit.

Kinder wollen von ihren Eltern gesehen werden und sehnen sich deshalb nach deren Aufmerksamkeit und Anerkennung. Deshalb kommt es oft vor, dass Eltern ihr Kind in jeglichen Situationen loben. Sei es auf dem Spielplatz, beim Basteln oder beim Erledigen der Hausaufgaben: Sätze wie „Das hast Du super gemacht“ oder „Toll“, „Klasse“, „Spitze“ gehören in vielen Familien zur täglichen Erziehung dazu. Allerdings kann übertriebenes Lob den Kindern auch schaden. Die Kleinen können so beispielsweise Ängste entwickeln. Welche Fehler Eltern daher beim Loben vermeiden sollten, erklärt eine Psychologin und Familientherapeutin.

Erziehung: Eltern sollten ihre Kinder richtig loben

Vater hilft seiner Tochter bei den Hausaufgaben
Übertriebenes Lob ist nicht unbedingt gut für Kinder. Dabei kommt es jedoch nicht auf die Menge, sondern auf die Art des Lobens an. (Symbolbild) © Sigrid Olsson/IMAGO

Laut Dr. Johanna Graf, Psychologin und Mitgründerin des Instituts zur Stärkung der Erziehungskompetenz, kommt es nicht auf die Menge, sondern auf die Art des Lobes an. In einem Interview mit der Zeit erklärt sie, dass Eltern nicht zu viel, sondern oft nur falsch loben. Kommt ein Kind beispielsweise mit einer guten Note nach Hause und erzählt freudestrahlend davon, lobt man oft, um es zu bestätigen. „Aber was passiert, wenn das Kind in der nächsten Arbeit eine Drei schreibt?“, so Graf und schildert weiter: „Übertriebenes Lob und Lob, das sich auf die Fähigkeiten der Person bezieht – du bist gut in Mathe (oder du bist es eben nicht) – führt bei den meisten Menschen nicht zu einem übersteigerten Selbstwertgefühl, sondern zu einem enormen Erwartungsdruck.“ So wird eine schlechtere Note von Kindern oftmals als persönliches Versagen gewertet, was ähnlich wie bei der Erziehung sogenannter Rasenmäher-Eltern womöglich zu Panik und Überforderung führen kann.

Besser sei es deshalb, die Anstrengung und Mühe des Kindes zu loben und so das Selbstbewusstsein zu stärken. Ein geeigneter Satz wäre beispielsweise: „Ich freue mich mit dir, ich habe gesehen, wie viel du geübt hast.“ Auf diese Art könnten Kinder lernen, an Herausforderungen zu wachsen, was wiederum zur Entwicklung ihrer Selbständigkeit beiträgt. Auch durch die Erziehung von Rasenmäher-Eltern wird diese oftmals geschädigt, da sie ihrem Nachwuchs jegliche Hindernisse aus dem Weg räumen möchten. Wodurch laut Familientherapeutin Anette Frankenberger aus Kindern „unselbständige Tyrannen“ werden können. Wie können Eltern nun allerdings angemessen reagieren, wenn ein Kind beispielsweise auf dem Spielplatz auf der Rutsche steht und „Mama, schau mal“ ruft.

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Kinder loben? Eltern sollen sich besser mit ihnen freuen – dafür reicht Blickkontakt

In solchen Situationen sei Lob überhaupt nicht notwendig, betont Graf: „Ein Kind in dem Alter ist wahrscheinlich gerade stolz darauf, dass es alleine dort hochgeklettert ist und will das mit Ihnen teilen. Was es von Ihnen braucht, ist Aufmerksamkeit.“ Die Psychologin rät deshalb dazu, dem Kind nur in die Augen zu schauen und sich mit ihm zu freuen. Kinder bemerken die Freude der Eltern dann über den Blick und die Körpersprache, wodurch sich seine eigene Freude nochmals steigert. Wer trotzdem etwas dazu sagen möchte, sollte die Gefühle des Kindes, die es selbst noch nicht ausdrücken kann, beschreiben oder was er gerade sieht. Das könnte mit Sätzen wie „Hey, du bist aber weit oben!“ oder „Jetzt kannst du auf mich runterschauen!“ geschehen.

Die auch in den Schulen weit verbreitete Art, Kinder bei positivem Verhalten zu loben und Fehlverhalten anzumerken oder sogar zu bestrafen, hält die Psychologin für Manipulation. „Im Behaviorismus wird es Konditionierung genannt: Für erwünschtes Verhalten gibt es eine Belohnung, für nicht erwünschtes eine Strafe. Wie bei Zirkusaffen“, so Graf. Dies funktioniere zwar auf der Verhaltensebene. Allerdings wird dem Kind bei beiden Vorgehensweisen vermittelt, dass die Liebe der Eltern an Bedingungen geknüpft ist. Nun versucht das Kind immerzu sich „richtig“ zu verhalten, damit es die Liebe der Eltern bekommt. Dies wiederum kann Auswirkungen bis ins Erwachsenenleben haben.

Statt Lob brauchen Kinder Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit

Anstatt zu loben, empfiehlt Graf deshalb, sich auf die emotionale Ebene zu begeben. „Nehmen Sie sich selbst und Ihr Kind wahr, fassen Sie in Worte, was Sie bei sich und Ihrem Kind spüren.“ Eltern sollten ihren Kindern außerdem vermitteln, dass sie – wie ein sicherer Hafen – da sind, wenn es etwas braucht. Ansonsten sollten Eltern ihren Sprösslingen Respekt vor der eigenen Persönlichkeit und genügend Freiraum zur Entfaltung geben. Als Vorbild könnte hier der Erziehungsstil von sogenannten Panda-Eltern fungieren, die ihren Kindern ein Gerüst bieten, um sich frei entfalten zu können. Wichtig ist also vielmehr, dass Eltern emotional verfügbar sind und wahrnehmen, was ihr Kind gerade braucht.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Text ist bereits in der Vergangenheit erschienen. Er hat viele Leserinnen und Leser besonders interessiert. Deshalb bieten wir ihn erneut an.

Sollen Eltern nun also gänzlich auf Loben verzichten? „Lob ist wie Dünger – ein schöner Zusatz. Aber zum Gedeihen brauchen junge Pflanzen gute Erde, Sonne, Wasser“, meint die Therapeutin dazu. Für Kinder bedeutet das, dass sie vor allem Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit von ihren Eltern benötigen. Oberstes Ziel von Elternschaft sei es deshalb, „sein Kind bedingungslos zu lieben und das auszudrücken, ihm warmherzig zu begegnen, unabhängig davon, ob es sich wohl- oder fehlverhält.“ Wer trotzdem auch mal Lob verteilen möchte, sollte als Elternteil dann jedoch laut weiteren Experten auf Präzision, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit achten.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.

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