„Der Trend zur Vereinzelung und zu Kleinstfamilien macht eher krank“: Therapeut spricht sich für Großfamilie aus
Kinder, die in kleinen Familien groß werden, sind weniger sozial und schneller überfordert durch Menschen – so ein Berliner Familientherapeut. Doch auch die Großfamilie hat Tücken.
Im Jahr 2019 gab es in Deutschland 11,6 Millionen Familien. Davon waren es 8,2 Millionen, bei welchen mindestens ein minderjähriges Kind im Haushalt wohnte, so eine Information der Bundeszentrale für politische Bildung. Gut die Hälfte aller Familien waren Ein-Kind-Familien (51,2 Prozent), heißt es weiter. Warum sich immer mehr Menschen gegen eine Großfamilie entscheiden, hat verschiedene Ursachen. Die hohen Kosten für eine mehrköpfige Familie zählen dazu, aber auch eine späte Mutterschaft bei Frauen, die studieren und erst im Berufsleben Fuß fassen möchten. Da im Alter die Fruchtbarkeit bei Frauen abnimmt, ist es nicht selten der Fall, dass nach dem ersten Kind keines mehr folgt oder Frauen kinderlos bleiben. Auch gibt es immer mehr Frauen, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden und damit für mehr Unabhängigkeit.
Eine niedrige Geburtenrate hat Einfluss auf viele Bereiche. So sorgt zu wenig Nachwuchs langfristig für einen Fachkräftemangel, wenn sich auch zu wenige Experten aus dem Ausland finden. Aber auch im kleinen Rahmen haben Kleinstfamilien Effekte auf das Leben – vor allem auf die Entwicklung der Kinder, so der Familientherapeut und Soziologe Roger Genée aus Berlin.
Aufwachsen in einer großen Familie fördert soziale Kompetenzen
„Der Trend zur Vereinzelung und zu Kleinstfamilien macht eher krank und dissozial“, zitiert das Portal buzzfeed Therapeut Genée. Einen Grund dafür sieht er darin, dass den Kindern das fehlt, was der Nachwuchs in intakten Großfamilien und Mehr-Generationen-Haushalten täglich erlebt: festen Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung. Das Aufwachsen mit vielen Geschwistern und anderen Familienangehörigen wie Tante, Onkel, Oma oder Opa fördere die sozialen Kompetenzen von klein auf, so Genée.

„Wenn man mehr Menschen um sich herum gewöhnt ist, kann man auch besser mit ihnen umgehen und ist resistenter gegen ,Überforderung‘ durch Menschen. Und man kann sich vermutlich besser um benachteiligte Menschen kümmern. Sie haben vermutlich mehr Kraft für ihre Mitmenschen“, so der Familientherapeut über Kinder, die in Großfamilien und Mehr-Generationen-Haushalten aufwachsen.
Großfamilie nicht romantisieren
Allerdings sollten die negativen Aspekte, die eine Großfamilie mit sich bringt, nicht unterschätzt werden. Zeitmangel, Hektik und Unruhe sind für die Paarbeziehung oftmals eine extreme Belastung, die in häufigen Auseinandersetzungen münden kann. Dies kann – wenn nicht konstruktiv gestritten wird – die Kinder negativ beeinflussen. Auch haben Eltern in Großfamilien, vor allem, wenn sie keine Unterstützung bei der Kinderbetreuung haben und arbeiten müssen, oftmals nicht ausreichend Zeit, sich jedem Kind individuell zu widmen. Bei eher anspruchsvollen Kindern kann das zum Problem werden.
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.