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Kindererziehung: Warum die Nazi-Zeit bis heute Nachwirkungen auf Familien haben könnte

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Von: Laura Knops

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Die Erziehung im Nationalsozialismus scheint auch Jahrzehnte später noch Eltern und Kinder zu beeinflussen. Wie genau, haben Forscher nun untersucht.

Die Erziehung von Kleinkindern ist ein Thema, das seit jeher unzählige Bücher und Ratgeber füllt. Egal ob es um das Stillen, Füttern oder den Umgang mit Trotzverhalten geht – in jedem Bereich finden Erziehungsberechtigte Empfehlungen und Tipps, wie mit dem Verhalten von Kindern umzugehen ist. Auch zur Zeit des Dritten Reichs erfreuten sich Erziehungsratgeber großer Beliebtheit. Diese waren allerdings gefüllt mit den in dieser Epoche vorherrschenden Wertvorstellungen. Welchen Einfluss die Methoden auf die Kinder hatten und wie manche Grundgedanken bis heute nachwirken könnten, haben nun Forscher untersucht.

Kindererziehung: Warum Nazi-Zeit bis heute Nachwirkungen auf Familien haben könnte

Fragwürde Erziehungsansichten aus dem Dritten Reich könnten bis heute das Leben vieler Menschen und Kinder beeinflussen. Wie das Wissenschaftsmagazin spektrum.de berichtet, könnten zahlreiche Ratschläge der Autorin Johanna Haarer Jahrzehnte überdauert haben. Die Lungenfachärztin Johanna Haarer galt als eine der Erziehungsexpertinnen zur Zeit des Nationalsozialismus. Sie schrieb zahlreiche Ratgeber, die in beinahe jedem deutschen Haushalt zu finden waren.

Böse schauende Eltern mit ihrem Kind vor pinker Wand
Eltern sollten laut der Lungenfachärztin Johanna Haarer gegenüber ihren Kindern keine Zuneigung zeigen (Symbolbild). © Volodymyr Melnyk/Imago

Das Problem: Die darin enthaltenen Empfehlungen scheinen nicht nur zurzeit des Zweiten Weltkriegs das Leben vieler Kinder beeinflusst zu haben. Auch heute noch lassen sich die Einflüsse nachweisen. Doch wie konnte eine Frau, die keine pädagogische Ausbildung genossen hat, einen solchen Einfluss auf die Erziehung in Deutschland haben?

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Kindererziehung: Kaum Liebe und Aufmerksamkeit für Kinder

Bereits 1934 veröffentlichte Johanna Haarer ihren Ratgeber „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“. Dieser wurde mit rund 1,2 Millionen Ausgaben innerhalb kürzester Zeit zum Verkaufsschlager. Das Buch galt als Grundlage für Kindererziehung. Ihre Ratschläge wurden sowohl in deutschen Heimen und Kindergärten als auch in den sogenannten „Reichsmütterschulungen“ beherzigt.

Der Ratgeber der Lungenfachärztin gleicht einer Handlungsanweisung, gefüllt mit Befehlen, die jegliches abweichendes Verhalten verurteilen. Doch die Ratschläge zu Verhalten mit dem Kind, Tragen und Stillen, aber auch Sauberkeitserziehung, Füttern und Strafen scheinen laut Forschern nicht nur die damalige Erziehung beeinflusst zu haben. Auch heute noch könnten sich die Methoden auf das Aufwachsen vieler Kinder auswirken. Die Forscher gehen sogar so weit, dass sie in den Büchern die Wurzeln für geringe Geburtenraten, Burn-outs und sogar psychische Erkrankungen haben könnten.

Kindererziehung: Zu Härte, Stärke und Durchhaltevermögen erzogen

Auch in den Nachkriegsjahren fanden sich die Ratgeber noch in fast jedem Haushalt. Ein besonderer Aspekt der Ärztin Johanna Haarer könnte die Erziehung so über Generationen hinweg systematisch beeinflusst haben: Um Kinder zu gehorsamen Soldaten zu machen, sollten Mütter laut NS-Regime die Bedürfnisse ihrer Babys gezielt ignorieren. Statt liebevoll und emphatisch sollten Eltern Kinder emotionslos und bindungsarm großziehen. Zu den konkreten Ratschlägen zählte, Zärtlichkeiten unbedingt zu vermeiden und das Kind schreien zu lassen, wenn es weint. Der heranwachsende Mensch sollte zu Härte, Stärke und Durchhaltevermögen erzogen werden, nicht aber zu Mitgefühl und einer angenommenen, damit einhergehenden Schwäche.

Fehlende psychische Bindungen haben jedoch langfristige Auswirkungen auf das Leben von Betroffenen. So befürchten Wissenschaftler, dass eine solche Erziehung bei betroffenen Kindern zu einer Bindungsstörung geführt haben könnte. Betroffene berichteten, dass sie selbst nicht in der Lage waren, eine liebevolle Beziehung zu den eigenen Kindern aufzubauen. Das könnte laut Forschern wiederum auch deren Kinder beziehungsweise Enkelkinder nachhaltig geprägt haben – wodurch die Erziehungsmethoden in der NS-Zeit womöglich bis heute nachwirken.

Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteuren und Redakteurinnen leider nicht beantwortet werden.

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