Corona-Studie zeigt: Das Homeoffice macht uns neurotisch

Wir sollten nicht dauerhaft von zu Hause arbeiten, zeigt eine Studie. Das Homeoffice ermöglicht uns zwar mehr Freiheit, macht uns aber auch unsicherer.
Leipzig – Die Corona-Zahlen steigen wieder. Steht uns noch ein Winter mit Lockdown im Homeoffice bevor? Falls ja, wäre das für die Psyche vieler Menschen nicht gut. Das hat der Arbeits-und Organisationspsychologe Hannes Zacher herausgefunden. Für die Universität Leipzig befragte der Professor Anfang 2019 fast 1000 Erwerbstätige zu ihrer physischen und psychischen Gesundheit. Dann kam die Pandemie und aus der Befragung wurde eine Langzeitstudie. Das Ergebnis: „Die Einschränkungen der Pandemie haben sich auf die Persönlichkeit der Menschen ausgewirkt und ihr Verhalten geändert.“ Das sagt Zacher in einem Interview mit der WirtschaftsWoche. Die Menschen seien durch die Pandemie neurotischer, unsicherer und ängstlicher geworden.
Corona-Studie zum Homeoffice zeigt: Menschen sind neurotischer, unsicherer und ängstlicher
Wegen der Erfahrung aus dem vergangenen Jahr würden die Menschen den Wintermonaten mit Grauen entgegenblicken. Auch wegen der Arbeit im Homeoffice? Die Forschungsergebnisse zeigen zumindest, dass man nicht dauerhaft von zu Hause aus arbeiten sollte. Auch weil häufig sogar mehr gearbeitet wird und nicht weniger: „Die im Büro haben das Gefühl, die anderen machen sich eine schöne Zeit zu Hause – und die im Homeoffice haben ein schlechtes Gewissen oder zumindest die Befürchtung, dass die anderen so über sie denken“, so Zacher im Interview weiter. Das führe dazu, dass Menschen öfter noch nach Feierabend oder am Wochenende arbeiten würden. Sie arbeiteten auch ungesünder. „Zum einen, weil die Ausstattung in den Büros besser ist, zum anderen, weil sie sich zu Hause schlechter ernähren und keine klare Struktur haben. Im Übrigen gilt das auch für Vorgesetzte, die Mitarbeiter im Homeoffice weniger fördern und sogar weniger befördern.“
Die Studie führt weitere Belege dafür auf, dass das Homeoffice vielen auf die Psyche schlägt:
- Nicht jeder kann sich ein Bürozimmer leisten, in dem er ungestört ist. Bei beengten Wohnverhältnissen oder auch unzureichender Ausstattung mussten sich manche Arbeiter der Studie ins Bad zurückziehen, um zu Hause ruhig arbeiten zu können.
- Zu Hause fehlt die Struktur, der soziale Kontakt und auch Klatsch und Gerüchte fehlen. „Wenn wir Studienteilnehmer fragen, was bei ihnen im Berufs- und Privatleben passiert, kommt oft, dass durch das Arbeiten zu Hause bei ihnen nichts los ist“, so Zacher.
- In Krisenzeiten gehen Struktur und Kontrolle verloren. Im Büro gibt es soziale Taktgeber wie das Mittagessen oder ein Meeting. Zu Hause hat man, vor allem in Krisenzeiten, wenig Struktur und auch das Gefühl eines Kontrollverlusts. „Mit Gegenreaktionen wird versucht, die Kontrolle wiederherzustellen. Viele checken deshalb ständig ihre Handys oder E-Mails“, sagt Zacher. Und das ist dann ein neurotisches Verhalten.
- Manche Teilnehmer der Studie fühlten sich im Homeoffice isolierter, fast einsam.
Corona-Studien zeigt: Manche fühlen sich auch wohl im Homeoffice
Doch es gibt auch Menschen, die sich zu Hause wohler fühlen, wie die Studie zeigt. „Vielen Teilnehmern hat es die Unabhängigkeit gebracht, die sie sich immer gewünscht hatten: größere Flexibilität und dass Beruf und Privatleben besser miteinander vereinbar sind“, sagt Zacher. Generell würde es Introvertierten besser im Homeoffice gehen, da sie denken, so leichter den Konflikten mit Kollegen aus dem Weg gehen zu können.
Die einen finden das Homeoffice also gut, die anderen nicht. Doch aus dem Arbeitsleben wird es vermutlich nicht mehr wegzudenken sein. Die einen werden in Zukunft mehr im Homeoffice arbeiten wollen, die anderen eine Garantie verlangen, dass sie ins Büro gehen können, vermutet Zacher. Ein Kompromiss könnte die Lösung sein. „Generell kann man sagen, dass nach ein bis zwei Tagen die Zufriedenheit von Mitarbeitern im Homeoffice* abnimmt.“ Auch individuelle Lösungen wären möglich, nicht eine Schablone für alle.
Arbeit im Homeoffice: In Zukunft Balance zwischen mobilem Arbeiten und Präsenz am Arbeitsplatz
Sicher ist: Das Homeoffice wird auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Option für die Arbeitnehmer bleiben, denen es zu Hause oder sogar von unterwegs aus besser geht. Eine Umfrage von tagesschau.de unter zehn DAX-Unternehmen zeigt, dass in Zukunft flexible Arbeitsmodelle, also eine Kombination aus Homeoffice und Anwesenheitszeiten im Büro, das Arbeitsleben bestimmen werden. „Es gibt kein Zurück in die alte Welt. Die Zukunft unserer Arbeit ist hybrid. Wir wollen die Vorzüge des Büros und die des mobilen Arbeitens bestmöglich miteinander verbinden. Auch erwarten wir, dass wir weniger reisen und im Sinne des neuen Arbeitens noch agiler zusammenarbeiten“, antwortet die Deutsche Telekom auf die Frage, wie sie sich die Arbeitswelt nach dem Ende der Restriktionen wegen der Pandemie vorstellt. Auch der Waschmittelkonzern Henkel spricht sich für ein flexibles Arbeitsmodell aus, „das auf einer Balance von mobilem Arbeiten und Präsenz am Arbeitsplatz beruht“.
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Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren RedakteurInnen leider nicht beantwortet werden.