Große Umfrage: Warum sich Ungeimpfte nicht gegen Corona impfen lassen
Trotz großer Impfkampagne lassen sich in Portugal, Spanien und Dänemark viel mehr Menschen impfen als in Deutschland. Eine Umfrage zeigt, warum das so ist.
Erfurt – Im Vergleich zu einigen anderen Ländern in Europa steht Deutschland mit seiner Impfquote schlecht da: In Dänemark sind bereits 74,5 Prozent der Menschen vollständig geimpft, in Spanien 76,2 Prozent, in Portugal sogar schon 81,0 Prozent (Stand: 17.9.2021). Deutschland liegt mit seiner derzeitigen Impfquote von 62,9 Prozent auf Platz 10 im Europavergleich. Experten sagen: Damit sind immer noch zu wenige Menschen geimpft, um gut, gesund und ohne Einschränkungen durch den Herbst zu kommen.
Obwohl die Bundesregierung vergangene Woche die große Impfkampagne #HierWirdGeimpft organisiert hat, bei der man sich in Supermärkten, in Fußgängerzonen oder vor Fußballstadien impfen lassen kann, sind die Deutschen nach wie vor zurückhaltend in Bezug auf die Corona-Impfung. Doch warum eigentlich?
Große Umfrage: Forscher wollen wissen, warum sich viele Deutsche nicht impfen lassen
Warum sich hierzulande relativ wenige Menschen gegen Corona impfen lassen, dieser Frage ist das Covid-19 Snapshot-Monitoring (Cosmo) nachgegangen. Cosmo ist ein Gemeinschaftsprojekt verschiedener Institutionen, wie unter anderem der Universität Erfurt, des Robert Koch-Instituts, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin. Ziel des Projektes ist es, wiederholt einen Einblick zu erhalten, wie die Bevölkerung die Corona-Pandemie wahrnimmt, und wie sich die psychologische Lage abzeichnet.

Bei der Umfrage zur Corona-Impfung mussten ungeimpfte Personen im Alter von 18 bis 74 Aussagen zu folgenden Aspekten auf einer Skala von eins (trifft gar nicht zu) bis sieben (trifft voll und ganz zu) bewerten:
- Confidence (Vertrauen) beschreibt das Ausmaß an Vertrauen in die Effektivität und Sicherheit von Impfungen, das Gesundheitssystem und die Motive der Entscheidungsträger (Ich habe vollstes Vertrauen, dass die Impfungen gegen Covid-19 sicher sein werden.).
- Complacency (Risikowahrnehmung) beschreibt die Wahrnehmung von Krankheitsrisiken und ob Impfungen als notwendig angesehen werden (Impfungen gegen Covid-19 werden überflüssig sein, da Covid-19 keine große Bedrohung darstellt.).
- Constraints (Barrieren in der Ausführung, auch: Convenience) beschreibt das Ausmaß wahrgenommener struktureller Hürden wie Stress, Zeitnot oder Aufwand (Alltagsstress wird mich davon abhalten, mich gegen Covid-19 impfen zu lassen.).
- Calculation (Berechnung) erfasst das Ausmaß aktiver Informationssuche und bewusster Evaluation von Nutzen und Risiken von Impfungen (Wenn ich darüber nachdenken werde, mich gegen Covid-19 impfen zu lassen, werde ich sorgfältig Nutzen und Risiken abwägen, um die bestmögliche Entscheidung zu treffen.).
- Collective Responsibility (Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft) beschreibt das Ausmaß prosozialer Motivation, durch die eigene Impfung zur Reduzierung der Krankheitsübertragung beizutragen und damit andere indirekt zu schützen, etwa kleine Kinder oder Kranke (Wenn alle gegen Covid-19 geimpft sind, brauche ich mich nicht auch noch impfen lassen.; umgekehrt abgefragt).
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Große Umfrage: Aus diesen Gründen lassen sich Deutsche nicht impfen
Insgesamt zeigt die Cosmo-Umfrage*, dass die Faktoren Sicherheit und Nutzen der Impfung zu den relevantesten Faktoren für eine Impfentscheidung gehören. Diese Gründe spielten bei bislang Umgeimpften die größte Rolle bei der Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen:
- Ungeimpfte zählen auf Schutz durch Geimpfte
- Warum sich selbst impfen lassen, wenn es andere machen und einen dadurch schützen? 75 Prozent der Befragten (vom 7. September) gaben laut Focus Online an, dass sie eine Impfung als unnötig erachten, wenn viele andere geimpft sind. Und die Zahl derer, die so denken, nimmt zu. Noch am 24. August stimmten der Aussage, sich beim dem Impfschutz auf andere zu verlassen, lediglich 44 Prozent zu.
- Ungeimpfte unterschätzen die Effektivität der Impfungen deutlich
- Ungeimpfte schätzen die Effektivität der Impfstoffe von Biontech und AstraZeneca höchstenfalls auf knapp 50 Prozent ein, Geimpfte auf höchstenfalls 75 Prozent. Die Effektivität gegen Infektion, symptomatische Verläufe und Hospitalisierung wird von den Befragten zudem ähnlich eingeschätzt.
- Aber: Die Effektivität der Impfstoffe ist in Wahrheit deutlich höher. Inzwischen haben Biontech und andere Hersteller berichtet, dass Impfstoffe gar zu 95 Prozent wirksam seien. Der Impfstoff hilft gegen symptomatische Infektionen und verringert damit das Risiko immens, wegen Corona auf der Intensivstation zu landen. Dabei sind neun von zehn Patienten, die wegen Corona auf der Intensivstation behandelt werden müssen, ungeimpft.
- Wenig Vertrauen in die Sicherheit der Impfung
- 40 Prozent der Befragten zeigen Bedenken, was die Sicherheitslage der Impfung anbelangt. Ungeimpfte bezweifeln, dass es eine ausreichende Forschungslage gibt und beurteilen die angeblich zu schnelle Zulassung kritisch. Auch die Angst vor seltenen Nebenwirkungen spielen dabei eine Rolle. Außerdem wurden die Menschen verunsichert durch die Verbreitung (falscher) Nachrichten. Auch mögliche unbekannte Spätfolgen halten sie von den Impfungen ab.
Insgesamt lässt sich laut Cosmo zusammenfassen, dass die geringe Impfbereitschaft vor allem durch fehlendes Vertrauen und geringe Risikowahrnehmung zustande kommt. „Gerade diese Aspekte sind durch Aufklärung änderbar“, heißt es auf der Website des Covid-19 Snapshot-Monitoring. Dies könnte man als klare Botschaft an die Bundesregierung verstehen.
Bei den Ergebnissen der Umfrage ist zu beachten: In den Abbildungen und Analysen zu den Gründen des (Nicht-)Impfens werden nur ungeimpfte Teilnehmer berücksichtigt. Diese Teilnehmer stehen den Impfungen tendenziell eher unsicher oder ablehnend gegenüber. Dennoch erhalten auch von diesen Menschen immer mehr ihre Erst- oder Zweitimpfung. Der Aussage, dass eine Impfung sinnlos sei, weil Covid momentan keine wirkliche Bedrohung darstelle, stimmten lediglich zwölf Prozent der Befragten zu. *merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.