Allergie und Unverträglichkeit: Vorsicht beim Selbsttest auf Lebensmittel

Wenn der Bauch nach dem Essen grummelt, die Augen tränen oder die Nase juckt, vermuten viele Betroffene eine Nahrungsmittelunverträglichkeit. Selbsttests für Zuhause sind für die Diagnose jedoch nicht zu empfehlen.
Berlin – Der Verdacht liegt Nahe: wenn nach dem Essen immer dieselben Beschwerden auftreten, sorgt sich eventuell der ein oder andere, dass es sich um eine Unverträglichkeit oder Allergie gegen Gluten, Fructose oder Lactose handeln könnte. Diesem womöglich begründeten Verdacht dann mit Selbsttest aus dem Internet auf die Spur kommen zu wollen, ist nach Angaben des Verbrauchermagazins Konsument aber keine gute Idee.
Allergie und Unverträglichkeit: Finger weg von Selbsttests
Die österreichische Partnerzeitschrift der Stiftung Warentest, das Verbrauchermagazin Konsument, hat 10 Selbsttests von wiederum jeweils 10 unterschiedlichen Probanden anwenden lassen. Das Ergebnis ist fatal: Die meisten Selbsttests ergaben eine Unverträglichkeit, obwohl die Personen beim Essen der überprüften Lebensmittel keinerlei Beschwerden hatten.
Dafür wurde eine besonders schwere Lactose-Intoleranz nicht erkannt. Die Verbraucherschützer warnen daher von der Anwendung der Selbsttest für zu Hause. Der Hausärzteverband Bremen hat in der Vergangenheit bereites häufiger von den Selbsttest zu Hause abgeraten.*
Allergie und Unverträglichkeit: Warum die Diagnose beim Arzt so wichtig ist
Diese Selbsttests funktionieren folgendermaßen: Nach einem Stich in den kleinen Finger wird der dadurch gewonnene Blutstropfen auf einen Teststreifen aufgetragen. Der Kunde steckt die Probe in einen Umschlag und schickt es an die Anbieterfirma. Diese wiederum leitet es weiter ins Labor, um zu ermitteln, welche Lebensmittel für den Patienten unverträglich sind.
Die Tests basieren auf dem Nachweis sogenannter IgG/IgG4-Antikörper, sie prüfen nicht auf Allergien, sondern auf „nicht-allergische Hypersensitivität“, was soviel heißen soll wie Unverträglichkeit.
Allergie und Unverträglichkeit: Die Leitlinien der Fachgesellschaften
Der Nachweis einer Nahrungsmittelunverträglichkeit durch IgG/IgG4-Antikörper ist wissenschaftlich allerdings sehr umstritten. Die gültigen Leitlinien der allergologischer Fachgesellschaften sind klar in ihrer Aussage: „IgG4-Antkörper gegen Nahrungsmittel sind nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht als Indikator für krank machende Vorgänge zu verstehen, sondern Ausdruck der natürlichen Immun-Antwort des Menschen nach wiederholtem Kontakt mit Nahrungsmittelbestandteilen“.
Immer wieder sorgt es bei Betroffenen für Unklarheiten in Bezug auf die Begrifflichkeiten Allergie, Unverträglichkeit oder nicht allergische Nahrungsmittelunverträglichkeit: Hier gibt es daher einen kurzen Überblick:
- Nahungsmittelallergie: Unter einer Nahrungsmittelallergie versteht man eine Überreaktion des Immunsystems auf an sich ungefährliche Substanzen.
- Nicht-allergische Nahrungsmittelunverträglichkeit: Bei einer nicht-allergischen Nahrungsmittelunverträglichkeit ist das Immunsystem nicht beteiligt. Zu den bekanntesten nicht-allergischen Nahrungsmittelunverträglichkeiten gehören die Laktoseintoleranz und die Fruktosemalabsorption. Bei der Fruktosemalabsorption führen Defekte oder eine zu geringe Anzahl an Transportproteinen zu den typischen Symptomen, bei der Lactoseintoleranz ist ein Mangel oder Defekt eines Enzyms Ursache für die Beschwerden.
- Unter Nahrungsmittelunverträglichkeiten versteht man sowohl die Nahrungsmittelallergie als auch nicht-allergische Unverträglichkeiten wie die Laktoseintoleranz oder die Fruktosemalabsorption. Eine Unterscheidung ist wichtig, da die Beschwerden sich manchmal ähneln, die Diagnostik und die therapeutischen Maßnahmen aber verschieden sein können.
Einer Umfrage der Berliner Charité zufolge gehen mehr als ein Drittel aller Befragten davon aus, dass sie unter einer Nahrungsmittelallergie oder Unverträglichkeit leiden. Der Lebensmittelhandel hat das Geschäft mit den gluten- und lactosefreien Produkten längst für sich entdeckt. Viele Konsumenten kaufen die Spezialprodukte ohne Notwendigkeit oder Facharztdiagnose. Diese ist aber wichtig:
Einem Artikel im Ärzteblatt zufolge ist ein Selbsttest zu Hause keine Alternative zur Diagnose beim Haus- oder Facharzt. „Eine seröse und rationale Abklärung von Nahrungsmittelallergien und Nahrungsmittelunverträglichkeit beruht auf einer diagnostischen Pyramide aus Anamnese, Hauttest, IgE-Bestimmungen und spezialisierten Labortests.“
Allergie und Unverträglichkeit: So testet der Arzt
Die Spurensuche kann sich kompliziert gestalten, da die Tests bei selteneren, nicht immunologischen Nahrungsmittelintoleranzen nicht immer eindeutig ausfallen. „Bei unklarem Zusammenhang kann eine orale Provokation die Diagnose sichern“, schreiben die Experten.
Die Diagnose einer Lebensmittelallergie basiert der Leitlinie nach auf einem Beschwerdebild, welches durch einen Bluttest und eine spezielle Diät unter Auslassung der entsprechenden Lebensmittel ermittelt wird. Nicht-allergische Unverträglichkeiten werden nicht über einen Bluttest, sondern über die ausführliche Anamnese beim erfahrenden Allergologen ermittelt. Meist folgt dann nach einer entsprechenden Diät zu therapeutischen Zwecken, bei denen das verdächtige Lebensmittel ausgelassen wird, ein Provokationstest.
Allergie und Unverträglichkeit: falsch positive Ergebnisse
Wer also bestimmte Lebensmittel dauerhaft nicht verträgt, sollte einen Facharzt aufsuchen um eine Allergie oder Unverträglichkeit überprüfen zu lassen. Gerade die Anamnese, das ausführliche Arzt-Patientengespräch über die Krankengeschichte und den Lebensalltag ist von zentraler Bedeutung, um der Ursache der Beschwerden auf die Spur kommen zu können.
Da die Selbsttest nach Expertenangaben auch durchaus falsche Ergebnisse liefern könne, verzichten Betroffenen außerdem womöglich ohne Notwendigkeit auf bestimmte Lebensmittel oder konsumieren Dinge weiter, die ihnen schaden. Eine Abklärung beim Arzt ist daher unerlässlich. *merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerkes.
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unseren Redakteurinnen und Redakteuren leider nicht beantwortet werden.